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Scheußliches, Widerwärtiges. Wenn sie auch für sich nichts zu fürchten brauchte, denn ihr Mann hatte ihr bestimmt versichert, daß Deutschland siegen werde, der Krieg war dennoch gewaltsame Unnatur, Störung, Umwälzung, sie haßte den Krieg. Und warum mußte er sein? Sie kümmerte sich sonst durchaus nicht um das politische Schachspiel, aber heute mußte sie sich doch wohl mal aus den Zeitungen unterrichten, sonst saß sie wie eine Gans im Vaterlande. Sie las und las, und ein wundersames Licht ging ihr auf. Wie ein Stern erstrahlte ihr die Gerechtigkeit der deutschen Sache. Gewiß war sie auch früher überzeugt gewesen, daß Deutschland willkürlich keinen Krieg vom Zaun breche, aber was sie jetzt als Kriegsgrund erkannte, schlug ihrem sittlichen Empfinden ins Gesicht, erst jetzt sah sie es so deutlich, daß sie es mit den Händen zu fassen meinte, wie Deutschland zu den Waffen greifen mußte, um sein Fortleben zu erkämpfen. Gerade zog eine Schar Reservisten vorüber und sang „Deutschland über alles“. Ihre Seele sang mit. Sie trat ans Fenster. Mit den Tönen umschwärmten sie Bilder ihrer Mädchenzeit. Wenn ihr Vater das noch miterlebt hätte! Zu ihren Familienüberlieferungen gehörte die Tatsache, daß ihr Vater 1870 als sechzehnjähriger Bursche heimlich von Hause ausgekratzt war, um mit den Truppen in den Krieg zu ziehen. Von solchen Eltern stammte sie; durfte sie da bei diesem Kriege teilnahmlos beiseite stehen? Wie die Blume nach dem Sonnenball, drehte sich ihr Wesen der alten Liebe, dem Vaterlande zu, sie hätte ihm einen glühenden Hymnus dichten mögen, doch ach, die Dichterschwingen waren so lang aus der Übung gewesen, nun wohl, so wollte sie ihre Gedanken und alle ferneren Kriegseindrücke in Prosa niederlegen, ein Kriegstagebuch wollte sie schreiben, so würde sie mit dem Volke teilnehmen an der großen Zeit. Gesagt, getan, sie schrieb Seite auf Seite und schloß den Bericht vom 31. Juli: „Oh, ihr fluchwürdigen Ränkeschmiede, die ihr die Kriegsbestie entfesselt habt, möge euer frevles Spiel zuschanden werden und die Kainsangst euch das Herz zuschnüren,

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Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/17&oldid=- (Version vom 1.8.2018)