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bis ihr erstickt in den Qualen eurer Verworfenheit! Ich aber danke dir, o Gott, daß dieser Blutkelch an mir und den Meinen vorübergeht, daß wir von dem Sturm dieses Krieges unberührt bleiben.“

Wir wollen noch einige weitere Aufzeichnungen aus ihrem Tagebuch entnehmen:

1. August. Ich beredete Gustav zu einem Spaziergang unter den Linden. Gegen acht Uhr abends versammelten sich im Lustgarten tausende Menschen, wir mitten drin. Die Menge sang Vaterlandslieder, dann: „Ein’ feste Burg ist unser Gott“. Mich litt es nicht mehr an meinem Platz, und da Gustav sich nicht vordrängen wollte, nahm ich von ihm Abschied und schlüpfte mittels guter Worte durch den Menschenknäuel bis in die vorderste Reihe dicht am Schloß. Nun stimmte auch ich in den begeisterten Gesang ein. Als das kernige Lutherlied verklungen, schmetterte mein Nachbar, ein Hüne von Gestalt, mit gewaltiger Stimme die Worte heraus: „Ich möchte meinen Kaiser sehen!“ Der Ruf pflanzte sich in der Menge fort, stürmisch brauste es: „Wir wollen unseren lieben Kaiser sehen.“ Da öffneten sich oben am Schloßbalkon die Türflügel, der Kaiser und die Kaiserin traten hervor. Mich durchschauerte es, als ich die ritterliche Gestalt unseres geliebten Kaisers in der schmucken Uniform der Kaiserjäger sah. Welche Verantwortung liegt heute auf seinen Schultern, welches Schicksalsschwert schwebt über seinem Haupte! Er aber sprach mit fester Stimme: „Ich danke euch für die Liebe und Treue. Wenn es zum Kampf kommt, hören alle Parteiunterschiede auf, wir sind nur noch Deutsche.“ Oh, dieser edle Herrscher! Er soll sich nicht täuschen in der Liebe seines Volkes, auch ich will tun, was ich kann, und sollte Theodor ins Feld müssen, der Mutter wird ja der Gedanke schwer, aber der deutschen Frau darf kein Opfer zu kostbar sein. Ja, ich will, daß er ins Feld ziehe für Kaiser und Reich.

2. August. Heute morgen war Theodor hier, um mich wieder anzupumpen. Auf meine Frage, ob er ins Feld ziehe, antwortete er: „Da müßte ich doch eher nach Dalldorf“,

Empfohlene Zitierweise:
Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/18&oldid=- (Version vom 1.8.2018)