Seite:JüchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/19

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und erging sich dann in schnodderigen Äußerungen über die Kriegsnot. Es war mir widerlich, seine rauhe Stimme zu hören, in der sich sein fortgesetztes Nachtschwärmen verrät, und die seinem feingeschnittenen Gesicht Hohn spricht. Auf Grund seines angeblichen Herzfehlers ist er sicher, freizukommen und rühmt sich seiner Schlauheit. Zum ersten Male haßte ich meinen eigenen Sohn, er aber wurde sehr ausfällig: „Du möchtest wohl, um mich los zu werden, mich gern in dies große Schlachthaus schicken, denn nichts anderes ist dieser Krieg.“ Da ich mich nicht ganz unschuldig fühlte, gab ich ihm das verlangte Geld, und er ging, einen Gassenhauer pfeifend, davon, während ich weinte. So widerwärtig ist mir Theodor nie gewesen, wie heute. Nicht das geringste Gefühl für einen höheren Lebenszweck, selbst heute nicht, wo es sich um Sein oder Nichtsein von Deutschland handelt. Aber wieviele solcher Theodore gibt’s in Deutschland? Ist nicht unsere Jugend in den Großstädten vielfach verweichlicht und morsch? Wird der Mut und die Kraft vorhanden sein, wie 1870? Oh, ich fürchte für mein Vaterland. — Nachher bin ich verschiedene Verbindlichkeiten für den Kriegsliebesdienst eingegangen. Wenn die Jugend dem Vaterlande kein Opfer bringen will, werde ich wenigstens helfen, soviel ich kann.

3. August. Ein gräßlicher Schicksalsschlag hat mich getroffen. Siegfried, mein Einziger, will sich freiwillig melden, und alle Vorkehrungen sind schon von ihm getroffen. Er kann ein Notexamen machen, und alle anderen Oberprimaner tun das gleiche. Heute abend rückte er damit heraus. Welch ein Auftritt! Gustav und ich setzten ihm mit allen Gründen und Mitteln zu, aber Siegfried ist über Nacht ein Mann geworden, der sich nicht durch Worte umstimmen läßt. Er will fürs Vaterland kämpfen, er will nicht den Buben hinter dem Ofen spielen, während andere sich in die Bresche stellen. Gustav machte dem quälenden Hin- und Hergerede ein Ende, indem er auf dem Klavier die As-Dur-Sonate von Beethoven spielte. Da erkannte ich, wie sehr meine Nerven gelitten haben. Die Musik erschütterte

Empfohlene Zitierweise:
Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/19&oldid=- (Version vom 1.8.2018)