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sich der Vergangenheit, aber einen Rachefunken in der Asche zu wecken, wie es das Bild bezweckte, vermochte die Erinnerung nicht. Das schwache Flämmchen des Deutschenhasses, das einst ihr Vater in ihrem Kinderherzen entzündet, war ganz und gar erloschen, und gerade ihr Gatte hatte, je mehr seine Fabrik unter der deutschen Herrschaft sich erweiterte, um so mehr darauf gehalten, daß kein Fünkchen sich rührte, daß jede Beziehung zu dem alten Geschlecht zerschnitten, und in der Seele seiner Frau dem Stolz auf das deutsche Vaterland ein möglichst breiter Raum geschaffen wurde. Sie glaubte ja, daß jede Nation ihre besonderen Vorzüge habe, wie oft hatte sie Frankreich gegen ihren Gatten verteidigt, wenn dieser auf Unterschiede hinwies, die gegen das einstige Adoptiv-Vaterland sprachen. Wenn er immer wieder auf diese, jene Wunde oder Schwäche am französischen Volkskörper deutete, hatte sie das Gute, Edle, Schöne hervorgehoben, das auch in Frankreich zu finden ist, und doch hätte es einer Vergewaltigung ihrer innersten Empfindung bedurft, wenn sie heute wieder französisch hätte werden sollen. Ihre Tochter Helene kam in den Garten, eine[WS 1] junge Dame, etwa siebzehnjährig, deren Gesicht einer saftigen Frucht nicht unähnlich sah. Sie sank mit Schluchzen an die Brust der Mutter: „Ganz Altkirch ist voll von Verwundeten; wenn nur Richard nichts geschehen ist!“ Die weiteren Worte verschlang ein flott geblasener Marsch. Auch durch die Waldstraße rückten Franzosen ein. Es waren Husaren, und auf dem Balkon der Villa stand Herr Frank und wedelte ihnen mit dem Taschentuch zu; Frau Frank hörte, wie ein schmucker junger Leutnant auf einen französischen Anruf ihres Gatten munter zurückrief: „Jawohl, mein Herr, jetzt geht’s nach Berlin. Wilhelm wird seine Koffer packen müssen.“ Darob helles Freudelachen ihres Gatten; in gleicher Weise lachte er sonst, wenn erzählt wurde, daß man in Frankreich den Verlust von Elsaß-Lothringen noch immer nicht verschmerzen könne, wenn von der elsässischen Oppositionspartei gesprochen wurde und von den Brandreden des Doktor Parrasin, eines ihrer Führer

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ein
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Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/25&oldid=- (Version vom 1.8.2018)