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in Mülhausen. — Oh, von ihrem Gatten konnte jede Wetterfahne lernen! — Während sie mit Helene schweigend den Garten durchwandelte, war die Hausklingel gegangen, jetzt berichtete das Dienstmädchen, daß ein Herr Doktor Parrasin seit einer Viertelstunde mit Herrn Frank im Salon zusammen sei. Parrasin! Frau Juliette hörte es nur noch mit stumpfem Bewußtsein, sie verzichtete darauf, ihre Gedanken zu ordnen. Machtlos, gelähmt, dumm und träge fühlte sie sich; so sank sie auf eine Gartenbank, zog Helene an sich und lehnte ihr graues Haupt ächzend an die Brust des Mädchens. Da eilte ihr Gatte auf sie zu mit lebhaften Schritten, offenbar in munterster Stimmung. „Juliette“, rief er, „wir bekommen Einquartierung, französische Einquartierung, wir müssen einige Nachtlager in der Spinnerei einrichten, es brauchen keine Betten zu sein, es ist nur für den Notfall; die Sache muß aber ganz geheim bleiben. Verstehst du, Helene? Ganz geheim!“ In Frau Frank zuckte es auf; wehren mußte sie sich doch bis zum Äußersten! „Weshalb muß das geheim bleiben?“ fuhr sie auf mit einem Blick, der die Seele ihres Mannes durchbohrte. Helene war erschrocken. „Um Himmels willen, Vater“, jammerte sie, „tu doch das nicht. Richard hat mir mal gesagt, daß jeder erschossen würde, der bewaffnete Franzosen beherberge.“ „Ihr seid närrisch“, entgegnete mit den Händen fuchtelnd, Herr Frank, „die Franzosen sind doch jetzt Herren und Meister in Mülhausen. Glaubt ihr, daß die wieder herausziehen? Der Krieg ist ein Würfelspiel und das Glück wechselt immer. Ihr werdet sehen, die erste Schlacht ist entscheidend, die Franzosen werden Elsaß wieder gewinnen.“ „Und du“, rief zornglühend seine Frau, „willst Handlanger dabei spielen, willst die Deutschen verraten, geheime Fallen anlegen oder was weiß ich? Es sieht dir ähnlich, du hast keine Grundsätze, du kennst keine Anhänglichkeit und keine Treue.“ Sie atmete auf, es war ihr eine Wohltat gewesen, ihm ihre Meinung zu sagen. „Treue ist nur das Trägheitsgefühl der Seele“, versuchte Frank zu scherzen. — „Witze sind

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Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/26&oldid=- (Version vom 1.8.2018)