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auch eine Waffe, aber heute gilt sie nicht mehr“, erwiderte sie ruhig, aber streng, „ich bin zwar nur ein Weib, aber ich kenne meine Pflicht gegen das Vaterland; sobald du hier Franzosen einführst, verlasse ich das Haus und werde aus der Sache kein Geheimnis machen.“ „Ihr Weiber seid zu borniert, um die Zweckmäßigkeit einzusehen“, warf er ein. „Ich weiß, daß du irgendeinen Zweck verfolgst“, erwiderte sie höhnisch, „und daß du diesem Zweck Überzeugung und Anhänglichkeit, Weib und Kind opfern willst. Ich hänge ja nicht am Leben, du weißt wohl weshalb, aber“ — ihre Stimme erklang in drohender Leidenschaft — „unser Kind lasse ich nicht von dir ins Verderben ziehn. Helene ist mit einem deutschen Offizier verlobt, der draußen gegen die Franzosen kämpft, der vielleicht schon von ihrer Hand gefallen ist, und du willst die Feinde in deinem Hause verstecken? Das geschieht nicht, so lange ich deine Frau bin. Wenn auch nur dem Namen nach“, fügte sie mit Bitterkeit hinzu und wandte sich ab. Helenes Gemüt war durch die Worte aufs tiefste aufgewühlt, schluchzend fiel sie auf die Knie vor ihrem Vater, und als heftiger Schrei entrang es sich ihrer Brust: „Vater, bleib deutsch!“ Herr Frank hob sie auf: „Närrisches Kind du!“ sagte er; „na, ich sehe, mit euch ist nichts zu machen, also werde ich sorgen, daß wir keine französische Einquartierung bekommen.“ Behend lief er fort, um seine Zusage rückgängig zu machen, während Frau Frank alle göttlichen und weltlichen Trostgründe aufbot, um bei Helene das Gewimmel schwarzer Angstgedanken um ihren Bräutigam zu scheuchen. Es war eine schwere Stunde für die Mutter, und doch wehte aus der Herzensqual ihres weinenden Mädchens für sie ein Hauch von Glücksverheißung. Das war ja gar nicht mehr ihr oberflächliches Kind, das vom Vater ein reiches Erbe von Flatterhaftigkeit übernommen, und dessen Leben bisher nur ein Flattern in heiterem Lebenslicht gewesen. Das Verhältnis Helenens zu ihrem Bräutigam war der Mutter nie so recht innig wahr erschienen, und deshalb hatte gerade sie sich der beabsichtigten Nottrauung widersetzt. Jetzt erkannte sie,

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Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/27&oldid=- (Version vom 1.8.2018)