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zu sehen, daß die Artillerie den Bergkamm hinaufzog und oben in dem Tannenwald eifrig bemüht war, ihre Kanonen schußbereit zu machen. Da die Vorräte des Hauses kein Mittagessen mehr boten, beschloß man, daß die beiden Dienstmädchen zu ihren Eltern gehen sollten, während Franks sich bei der Familie des Bankiers Klein zu Gast laden wollten, bei der sie gestern ihre Wertsachen untergebracht hatten. Herzlich wurden sie hier willkommen geheißen, und als Frank von der Plünderung erzählt hatte, selbstredend unter Verschleierung der wahren Ursache, schloß er mit der Versicherung, daß ihn die Franzosen gestern nachmittag besser germanisiert hätten, als die Deutschen in 44 Jahren. „Sie werden schon ihre Dresche bekommen“, grollte Herr Klein. Er war auch Elsässer, aber durchaus deutsch gesinnt. Die Geschichte des Landes war sein Steckenpferd, und wann lag mehr als heute ein Anlaß vor, dieses zu tummeln? „Elsaß und Lothringen“, schloß Herr Klein das Gespräch, das noch über das Mittagsmahl hinausging, „sind seit ewiger Zeit deutsch gewesen, bis sie gegen den Willen des Volkes unter Ludwig XIV. von Frankreich erobert wurden. Jetzt sind sie von Deutschland zurückerobert und müssen deutsch bleiben.“ „Wir wollen es hoffen“, sagte Herr Frank, „wenn nur die Deutschen wieder einen Moltke an der Spitze hätten, wie 1870.“ „Einen Moltke haben sie, aber ihr bester Feldherr ist die Gerechtigkeit ihrer Sache“, erwiderte der Hausherr. Die Zeit verging sehr schnell, und als es von der Kirche vier Uhr schlug, mahnte Frau Frank zum Aufbruch. Ihr Gatte betrachtete kopfschüttelnd seine Uhr: „Es ist doch schon über halb fünf.“ „Die Franzosen“, erläuterte Herr Klein, „haben die Uhr auf französische Zeit gestellt.“ „Dann haben sie uns ja eine halbe Stunde jünger gemacht, unsere Befreier zeigen sich gleich als Wohltäter“, lachte Frau Frank. „Wer weiß, was sie noch mit uns Elsässern machen?“ meinte bedenklich ihr Gatte. Helene, der die geschichtlichen Auseinandersetzungen des Herrn Klein beinahe ebenso gleichgültig waren, wie dessen beiden Töchtern, tummelte sich mit diesen

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Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/31&oldid=- (Version vom 1.8.2018)