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erforschen.“ Der Kanonendonner war verstummt, doch aus der Stadt herauf flammte das Signal „Kartoffelsupp“, Herr Frank wußte, daß es Bajonettangriff bedeutete. „O Gott“, rief er, „wie mancher brave Junge wird da sein Leben lassen!“, und Frau Frank dachte an Richard. So mußte ihr Geist vom stillen Blumeneiland ihrer Liebe wieder hinaus in das wogende Blutmeer des Tages. Vorsichtig verließen sie den Keller und schauten wieder vom Balkon in die Ferne. Wie dankten sie Gott, daß keine Kugel ihr Heim getroffen, es war wirklich ein Wunder. Draußen schrien die ersten Hähne, der Mond stand klar und kalt am Himmel, und über dem „Blauen“, dem Schwarzwald, stieg die Morgensonne des Montags hervor. Aus weiter Ferne klangen die tobenden Trommeln, die wütenden Hörner, die Stadt war offenbar wieder in dem Besitz der Deutschen. „Jetzt könnte Helene doch kommen“, wieder entrang sich dieser Seufzer der Mutterbrust. Da raste ein Auto die Waldstraße herauf, ihm entstieg Herr Klein mit Helene. Eine fliegende Begrüßung, ein stürmischer Bericht. Eine deutsche Granate hatte das Wohnhaus des Herrn Klein getroffen, war durchs Dach und zwei Zimmerdecken bis in das Speisezimmer gegangen, wo man gestern mittag gegessen, im Garten waren Bäume, Blumen, Palmen zerstört, aber das Leben war gerettet. Natürlich hatte man die Nacht im Keller zugebracht, aber im Kellergewölbe der Bank, mit allen Bequemlichkeiten ausgestattet. „Ach, da war’s so gemütlich, wie in Abrahams Schoß“, lachte Helene. „Sie wollte noch gar nicht heraus“, ergänzte Herr Klein, „aber ich habe darauf bestanden, weil ich die lieben Eltern nicht in Sorge lassen wollte.“ Dann erzählte er von den schauerlichen Geschehnissen in der Stadt. Ein fürchterlicher Nahkampf hatte getobt, dunkle Körper lagen auf den Straßen, die Autos rasten umher, um die Verwundeten zu holen, alle Krankenhäuser und Notlazarette waren schon mit ihnen gefüllt. „Oh, welches Füllhorn von Jammer hat diese Nacht auf Mülhausen entleert!“ rief Klein verzweifelt. Auch die Dienstmädchen

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Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/35&oldid=- (Version vom 1.8.2018)