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fanden sich wieder ein, und da Lebensmittel eingekauft werden mußten, fuhr Herr Klein eine von ihnen gleich in seinem Auto zurück nach der Stadt. So blieb es Helene überlassen, die Erzählung der nächtlichen Erlebnisse zu vollenden, zum Erstaunen der Mutter kam sie dabei immer wieder auf einen jungen Herrn zurück, der als Volontär im Kleinschen Bankhause tätig war und ihnen im Keller Gesellschaft geleistet hatte. „Du kannst dir keinen Begriff machen, welch liebenswürdiger Mensch er ist.“ „Oh, da ist sie wieder, die Franksche Flatterhaftigkeit“, dachte die Mutter. „Und von Richard sprichst du keine Silbe, an ihn hast du gar nicht gedacht?“ Erst jetzt kam über Helene die Erinnerung, und sie erbebte im Schmerz, auf die Faust mußte sie beißen, um nicht gellend aufzuschreien, dann aber sank sie schluchzend an der Mutter Brust. — Endlich kam die Küchenregentin aus der Stadt zurück mit den gekauften Lebensmitteln, doch alle Leibesnotdurft wurde fast vergessen über dem, was sie zu berichten wußte. Das ganze siegreiche deutsche Armeekorps war soeben in die Stadt gerückt. „Nichts als Himmel und Soldaten!“ Die Feldpost, das Rote Kreuz, den glänzenden Stab hatte sie gesehen, brausender Jubel war ihnen entgegengeschallt, doch auch von allerlei Verhaftungen Mülhausener Bürger wurde gemunkelt. — Die Mahlzeit kochte das Dienstmädchen, indem sie „Deutschland, Deutschland über alles“ sang, das ihr von der Stadt her in den Ohren klang; nach dem Mittagessen ging die Familie auf den Balkon und hörte die Klänge desselben Liedes emporsteigen, als hätte dieses hundert Strophen, und als der Kaffee eingenommen, konnte Herr Frank sich nicht erwehren, das gleiche Lied anzustimmen, und Frau und Tochter stimmten ein. Helene bemerkte verwundert den warmen Ton in der Unterhaltung ihrer Eltern, und bei dem ihr ganz neuen Anblick des elterlichen Eheglücks fiel ihr öfter Richard ein. Wer bot denn wohl die besten Aussichten für ihr Eheglück, der stramme Artillerieleutnant Richard, oder der hübsche, lustige, schlaue und kecke Bankvolontär, gegen dessen Kuß

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Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/36&oldid=- (Version vom 1.8.2018)