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im Keller sie sich doch eigentlich noch mehr hätte wehren müssen? Herr Frank hatte gerade mit Genugtuung festgestellt, daß die Uhren wieder nach deutscher Zeit gestellt waren; da, — es hatte gerade sechs geschlagen, — ging die Klingel, und frisch und fröhlich trat Richard ein, ein kräftiger Achilles in Feldgrau. Welcher Jubel und wieviel zu erzählen! Richard nahm für sich das Verdienst in Anspruch, daß die Villa noch stand, er hatte dafür gesorgt, daß auf den Tannenwald mit besonderer Vorsicht geschossen wurde, auf die Stadt hatte er mehrere Schüsse selbst geleitet, weil dort die Franzosen standen; so hatte er ja wohl auf seine eigene Braut geschossen. „Aber ätsch!“ sagte diese, „eure Kugeln sind machtlos gegen unsere Keller!“ „Sag lieber: Ich bin mit blauem Auge davongekommen, sonst verfolgen auch die Kugeln unsere Losung: Durch!“ Unter Scherzen und Kosen verging ihnen schnell die Zeit; wie heute nacht die Eltern, fühlten sich jetzt Richard und Helene auf einem Blumeneiland inmitten der wogenden See. Als Richard sich gegen neun Uhr verabschiedete, tönte von der Stadt her noch immer brausender Jubel und Musik, doch Richard war nicht ohne Bedenken. „Ich fürchte“, sagte er zu Herrn Frank, „daß wir hier noch nicht fertig sind. Mich würde es wundern, wenn nicht noch französische Soldaten in Mülhausen versteckt wären.“ Herr Frank wäre am liebsten in die Erde versunken und beschleunigte sein Abschiednehmen; doch als die beiden jungen Leute Arm in Arm die Waldstraße hinunterschritten, da Helene ihren Bräutigam noch ein Stückchen Weg begleiten wollte, faßte Frank seine Frau an beiden Händen und flüsterte ihr zu: „Wie danke ich dir, daß du mich an der Einquartierung der Franzosen gehindert hast! Erst jetzt ist mir ein grelles Licht über den Zweck dieser Einquartierung aufgegangen.“[WS 1]

Es dauerte nur eine ganz kurze Zeit, da bewahrheiteten sich Richards Befürchtungen. Der Verrat zischte aus allen Winkeln und Ecken hervor, aus Fenstern, Kellerlöchern, von den Dächern schossen französische Soldaten

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Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/37&oldid=- (Version vom 1.8.2018)