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Sanitäter, Krankenschwestern, Damen und Herren aus Bürgerkreisen schritten zwischen ihnen umher, Ärzte machten Verbände und ordneten die Fortführung von Verwundeten, es war ein wirres, ein entsetzliches Bild. Helenens Blicke überflogen es. Da, — in der Ecke, auf einem Feldstuhl, die Jammergestalt, sie erkannte sie sofort, — das war Richard. Starr und bleich lag er da, die rechte Hand war schon verbunden, der Daumen fehlte, und unter dem Helm her rieselte ein Blutbächlein über das niederhängende Gesicht. „Tot“, rief Helene mit einem Schmerzensschrei, und beugte ihr Haupt niederkniend auf seinen Schoß. Ihr Vater hob Richards Kopf und wollte ihm sanft die Augen zudrücken. „Heiliger Gott!“ schrie er, „er lebt doch noch! Die Augenlider bewegen sich.“ Mit einem Satz reckte er sich auf, einer der mitgekommenen Leute mußte im Fluge zum Hausarzt der Frankschen Familie. „Wir nehmen ihn mit“, rief Frank, „Doktor Kurz soll sofort zur Waldstraße kommen. Warten Sie, bis er mitkommt!“ Der andere Mann mußte in der Bahnhofswirtschaft ein Fläschchen Kognak holen. „Auf meine Verantwortung!“ wehrte Herr Frank den Bedenken seiner Tochter und flößte Richard einen Schluck davon ein. Dann mußte Helene trotz ihres Sträubens, dann der Arbeiter trinken, und Frank trank den Rest. Ein leises Zittern ging durch Richards Glieder, die Augen richteten sich unter halbem Öffnen der Lider einen Augenblick auf Helene, und ein langer Atemzug hob die Brust. Vorsichtig trugen nun Herr Frank und der Arbeiter ihn in das Auto, und indem Herr Frank sich neben ihn setzte und ihn umschlungen hielt, während Helene steuerte, ging die Fahrt zur Villa zurück, wo Richard von Herrn und Frau Frank bedachtsam im Salon gebettet wurde. Wie träumend schaute Helene zu, doch als er auf dem Kissen lag, hauchte sie verstohlen einen Kuß auf seinen Mund. Bald kam der Arzt, nahm ihm den Helm ab, wusch die Kopfwunde, untersuchte sie, und wie Engelsbotschaft erklang es allen, als der grauköpfige, freundliche Herr erklärte: „Die Wunde ist ganz

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Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/39&oldid=- (Version vom 1.8.2018)