Seite:JüchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/46

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und sie zwischen ihm und einem jungen Kaufmann, den die Eltern begünstigten, wählen mußte, wählte sie den Bauer, und wenn auch ihre Lebensstellung bescheidener wurde, die ländliche Arbeit und die Einsamkeit des Dorfes von ihr anfangs nur mit etwas Selbstverleugnung überwunden wurden, sie hatte ihre Wahl nie bereut, denn ihr Hans war so wohlgemut, so voll gesunder Lebenskraft und siedender Lebenslust, daß er sie mitriß, und in ihrem Hause mit jedem neuen Morgen die Sonne des Glücks neu aufging. Vier Kinder waren ihrer Ehe entsprossen, von denen das älteste, nach seinem Vater Hänschen geheißen, zehn Jahre zählte.

Seit einigen Tagen war die Kunde von der drohenden Kriegsgefahr auch in das stille Dörfchen gedrungen. „Krieg mit Rußland, und wir an der Grenze“, das zuckte wie ein Blitz durch das stille Landleben und die fleißige Erntearbeit. Kaum hatte man die Sache hin und her besprochen, da kam schon die Mobilmachungsorder, und Hans mußte am ersten Tag nach Königsberg. Jedes Bedenken, jede Angstäußerung prallte an seinem Herzen ab: „Haha, ehe die Russen mobil sind“, weissagte er lachend, „ziehen wir in Petersburg ein.“ So hatte er von Frau und Kindern in froher Siegesstimmung Abschied genommen, der Boden schien ihm schon unter den Füßen zu brennen vor Verlangen, einmal Attacke gegen einen wirklichen Feind zu reiten.

Am folgenden Morgen zog Frau Pawlik mit einer Arbeitsfrau und ihrem Hänschen hinaus, um die Weizenernte weiter einzuheimsen. Durch die Akazienallee des Dorfes ging es hinaus auf die sandige Fahrstraße über den Hügel, zu dessen Fuß jenseits ihr Feldstück lag. Von dem Hügel aus sieht man in der Ferne das Dorf Schwiddern liegen. „Was ist das?“ rufen erschreckt fast einstimmig die Frauen. Dort über dem Dorf steigen Rauchsäulen auf, die sich immer mehr zu einer geschlossenen Masse ballen. In Frau Pawliks Herzen dämmert eine Ahnung, es ist ja unglaublich, aber die Ahnung hebt trotzig ihr Haupt, blickt

Empfohlene Zitierweise:
Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/46&oldid=- (Version vom 1.8.2018)