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aus ihren Augen, springt gegen ihren Willen von ihrer Zunge: „Sollte der Krieg schon im Lande sein?“ Die alte Arbeitsfrau stößt bei diesen Worten einen Schrei aus, und mit dem Ruf „die Kosaken!, die Kosaken!“ läuft sie spornstreichs nach dem Dorf zurück. Auch Frau Pawlik peitscht ihr Gedanke nach Haus; „die Kinder!“ „die Kinder!“ Sie läuft mit Hänschen zurück, doch dann macht sie halt, nimmt sich zusammen. „Hänschen“, sagte sie, „wer kann es wissen, ob es die Russen sind, aber lauf du nach dem See und versteck dich dort im Schilf, bis ich komme.“ Dann fliegt sie zurück nach dem Dorf. Schon sieht sie den Gutshof, da, — o Höllenwerk, — zuckt auch aus dessen Dach eine Flamme und sucht sich über die Fläche auszubreiten. Frau Pawlik hat für nichts mehr Aug und Ohr, nicht für Flammen, nicht für Frauen und Männer, die ihr entgegenjammern, nicht für die Kosaken, die dunkelbraunen Teufel, die dort vor der Schenke halten. An ihrem Häuschen angelangt, rast sie die Treppen empor, und mit einem Kind auf dem Arm, den beiden anderen, die sich an ihr Kleid klammern, hinterher, stürzt sie hinunter ins Freie. Mögen die Steppenwölfe nun zerstören, was sie wollen, sie wird dort am See im Schilf ihre Kinder vor ihnen verstecken. Doch schon ist es zu spät. Die Kosaken treiben mit blankem Säbel alle Bewohner des Dorfes zusammen, da gibt es kein Ausweichen, kein Entrinnen, kein Erbarmen. „Pascholl! Pascholl!“ schreit ein Kosak ihr entgegen und treibt sie mit den Kindern in die Schar der jammernden Frauen und Greise, der wimmernden Kinder hinein.

Zu zweien müssen sie sich ordnen und aneinanderbinden lassen. „Lewo, prawo!“ (Rechts, links) kommandiert dann ein Kosak wie zum Hohn, und vorwärts geht der Zug, zu dessen Seiten die schmutzigen Gesellen reiten und unter Fluchen oder Gejohle bald diesem, bald jenem der wehrlosen Opfer einen Säbelhieb, einen Kolbenstoß an den Kopf geben. So trieb man sie auf den Vorplatz des Gutshofs, aus dem schon prasselnd die Flammen schlugen, und verriegelte das Tor. Ein Bild des Entsetzens; die

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Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/47&oldid=- (Version vom 1.8.2018)