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haben.“ „Was gibt's denn heute Neues in der Zeitung?“ frug Frau Wilhelmi. „Heute sind schlechte Nachrichten“, erwiderte Frau Richter, „ehrenvolle Verluste zur See, ein Torpedoboot und ein Kreuzer sind untergegangen, die Ariadne.“ – Ein gellender Schrei. „Ariadne?“ ächzte Frau Wilhelmi, indem ihre Augen übergroß Frau Richter anstarrten. Diese hätte gern ihr Wort zurückgenommen, doch da stand es ja in der Zeitung; sie reichte Frau Wilhelmi das Blatt. – Diese war aufgesprungen, einen Blick warf sie auf die schreienden Buchstaben, dann sank sie auf die Knie vor ihrem Stuhl nieder, streckte die Hände empor, wie ein Ertrinkender, und in unklaren Lauten schluchzte ihre Seele: „O Gott, warum hast du mich verlassen?“ Frau Richter wußte nicht, was zu beginnen. Sie hätte Leute zu Hilfe geholt aus dem Hause; aber es ging doch nicht, sie waren doch zu unfein für solche stolze Dame. „Soll ich Ihren Wagen bestellen?“ „Soll ich den Arzt holen?“ Keine Antwort; doch plötzlich fragt Frau Wilhelmi: „Was ist das für Blut auf dem Fußboden?“ Frau Richter schaudert und sagt wie empört: „Aber das ist doch der Widerschein vom Hochofen, sehen Sie nur mal zum Fenster hinaus!“ Die andere hob den Kopf: „Ha, wie das brennt! Die Ariadne!“ schrie sie beim Anblick der wabernden Glut vor dem dunkelblauen Abendhimmel. „Aber, ich bitt' Sie“, widersprach Frau Richter, allmählich ermutigt, „das ist doch kein Schiff. Sehen Sie sich nur mal die Sache genauer an!“ Sie richtete Frau Wilhelmi mit fester Hand auf und führte sie ans Fenster. „Sehen Sie, dort ist das Bureau, dort das Materiallager, dort laufen die Kohlenwagen an der Seilbahn durch die Luft, und hinten sehen Sie die Bäume von Ihrem Park.“ Der Anblick der gewohnten Umgebung brachte Frau Wilhelmi zu sich, der feste Entschluß, sich stark zu zeigen, reckte sich in ihrer Seele auf. Sie nahm ein Zeitungsblatt, und, das Schluchzen gewaltsam niederringend, las sie laut den „Bericht eines Augenzeugen“: „Ariadne eilte, von dem Kanonendonner der Vorpostenkräfte angerufen, diesen zu Hilfe. Verfolgen und Fühlung

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Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/59&oldid=- (Version vom 1.8.2018)