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mit dem Feind nehmen, ist die Losung. Nebel verhüllen die Stärke des Feindes. Schon stößt die Ariadne auf einen der Unsern, der mit zwei englischen Kreuzern der Lionklasse im Kampf liegt. Mutig springt die Ariadne dem Bedrängten bei, aber in diesem Augenblick wird sie beschossen. Ein Treffer in den Kesselraum setzt die Hälfte der Kessel außer Betrieb, noch eine halbe Stunde dauert der ungleiche Kampf, das Achterschiff brennt, doch die übrigen Geschütze feuern weiter. Der Feind hat inzwischen nach Westen abgedreht. Auch auf das Vorderschiff dehnt sich der Brand aus. Die tapfere Ariadne ist dem Untergange geweiht. Treu der Überlieferung mit drei Hurras auf den allerhöchsten Kriegsherrn.“ ... Hier konnte Frau Wilhelmi sich nicht mehr halten, und es dauerte wieder eine Weile, bis sie ihre Tränen gehemmt und ihre Kräfte gesammelt hatte. Dann wusch sie ihr Gesicht und nahm Abschied. „An die Mutter haben sie nicht mehr gedacht, nur an Kaiser und Reich“, sagte sie. Frau Richter widersprach, doch Frau Wilhelmi bestand auf ihrem Gedanken: „Ich kenne meinen Sohn, und so groß mein Schmerz ist“, fügte sie mit schluchzender, aber gehobener Stimme hinzu, „noch größer ist mein Stolz.“ Kaum hatte sie das Zimmer verlassen, da öffnete sie noch einmal die Tür. „Frau Richter“, sagte sie, „um Himmels willen, verstecken Sie die Zeitung vor der Frau Roth, sorgen Sie, daß sie nichts erfährt! Es würde ihr und dem Kinde schaden. Ich komme morgen nochmal wieder.“ Dann ging sie den Weg nach ihrer Villa, immer hastiger wurde ihr Gang, sie erkannte niemanden auf der Straße, sie sah das Meer, aber nicht mehr in bezauberndem Reize, sondern als schauerliches Grab.

Als sie ihr Zimmer betreten, wurde ihr von dem Mädchen ein Brief ihres Sohnes überbracht. „Vielleicht das letzte Schreiben eines Toten“, dachte sie schaudernd und konnte vor Tränen kaum lesen. Nach dem Brief ging es ihrem Sohn vorzüglich. Nur daß sie auf der Ariadne zu entnervender Tatenlosigkeit verurteilt wären, bekümmerte ihn und die ganze Mannschaft. Der Brief schloß: „Wir

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Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/60&oldid=- (Version vom 1.8.2018)