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Gestalt sehr häufig in den Lazaretten, bei allen Arbeiten der Kriegsfürsorge, aber auch in den Häuschen der Arbeiterkolonie sprach sie oftmals vor; ihre stete Begleiterin, Helferin, Adjutantin war die hübsche, temperamentvolle Frau Roth, flink und zweckvoll, wie ein Maschinchen, und begeistert, wie ein Dichter. Frau Wilhelmi entdeckte immer neue schätzenswerte Eigenschaften an ihr, ihre Rechtlichkeit, Gewissenhaftigkeit, ihr Bildungsdrang, ihre Empfänglichkeit weckten auf Schritt und Tritt ihre Bewunderung, auch der Herr Direktor erklärte sie für einen ganz „patenten“ Engel der Barmherzigkeit. Seine Frau hatte mit ihm inzwischen öfter über die Wandlung ihrer Ansichten gesprochen, sie war Feuer und Flamme dafür, daß es Sache der Frau wäre, den Arbeiterfamilien persönlich näherzutreten und so die bestehende Gegensätzlichkeit zu überwinden. Ihre Begeisterung drängte sieghaft alle Bedenken ihres Gatten zurück; wer wollte ihr widerstehen, wenn sie mit leuchtenden Augen rief: „Deutschland hat draußen so viele Feinde, daß sich die Klassen im Innern nicht mehr feindlich gegenüberstehen dürfen. Wie alle gemeinsam geblutet, so sollten alle Schichten des Volkes gemeinsame Sache machen, um einander zu helfen und zu fördern.“ Auch ihren Plan, zunächst die heranwachsenden Arbeitertöchter mit denen anderer Kreise zu einem Strickkränzchen zusammenzuführen, bei dem Vorträge gehalten werden sollten, hatte sie bereits mit ihrem Gatten besprochen. Gerade der Krieg bot Gelegenheit zu Vorträgen, die alle fesselten und zu einer gemeinsamen Unterhaltung anregten. Die vorhandenen Bildungsunterschiede würden bei diesem Stoff niemanden von der Unterhaltung ausschließen, und späterhin wollte sie schon sorgen, daß diese Unterschiede verschwänden. Oh, sie hatte noch große, schöne, beglückende Pläne für die spätere Friedenszeit.

Inzwischen war ihr etwas zu Ohren gekommen, was sie anfangs im tiefsten Innern empörte. Die jungen Damen der sogenannten besseren Gesellschaft wollten sich dem harmlosen Plan des Strickkränzchens widersetzen; ein Herr hatte

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Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/66&oldid=- (Version vom 1.8.2018)