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Predigt aus einem solchen Munde! Und doch gilt dieser Mann noch bei den übrigen für aufgeklärt! An den hohen Festtagen des Jahres sieht man die Seelenhirten in den Hauptkirchen sich versammeln; Leute, mit ungeschornem Kinn, ungekämmten Haaren, zolllangen Nägeln, durchlöcherten ungebürsteten Hüten, abgeschabten Röcken von ungewisser Farbe, von Wein und Branntwein glühenden Gesichtern. Wo sie hinkommen, werden sie mit Ehrfurcht und Hundesdemuth von den Bauern empfangen; die Kinder laufen ihnen entgegen und küssen ihnen die ungewaschenen Hände. Der arme Hausvater holt seine letzten neun Albus aus dem bestäubten Schranke, und giebt sie ihnen – für eine Messe. Die Mädchen öffnen ihnen die für den wackern Jüngling verschlossenen Busen, und lassen sich unmittelbar darauf die Absolution von ihnen ertheilen. Ein unschuldiges Mädchen verführen, ehrliche Hausmütter in der ehelichen Treue wanken machen, das sind gewöhnliche Sünden dieser Diener der Kirche. Thut es doch auch der heilige Vater zu Rom [1], antwortete mir Einer

  1. PIUS den Sechsten, den letzten Regenten auf dem Stuhl Petri, kann mein Priester schwerlich gemeint haben. PIUS ist unter den unreinen Päbsten einer der reinen. Wenn meinem Manne Kenntniss der Geschichte zuzutrauen wäre, so könnte sein heiliger Vater, ALEXANDER VI sein, von dem es irgendwo (Specimen historiae arcanae sive anecdota de vita papae ALEXANDRI VI, seu excerpta ex Diario Joanonis BURCHARDI Argentinensis, capellae ALEXANDRI VI papae Clerici, ceremoniarum magistri) heisst: Dominica ultima mensis Octobris in sero fecerunt coenam cum duce Valentinensi, in camera sua in palatio apostolico, quinquaginta meretrices honestae, Cortesianae nuncupatae, quae post coenam chorearunt cum servitoribus, et aliis ibidem existentibus; primo in vestibus suis, deinde nudae. Post coenam posita fuerunt candelabra communia mensae cum candelis ardentibus, et projectae ante candelabra per terram castaneae, quas meretrices ipsae super manibus et pedibus nudae candelabra pertranseuntes colligebant, Papa et duce et LUCRETIA sorore praesentibus et aspicientibus: tandem exposita dona ultima, diploides de serico, paria caligarum, bireta et alia, pro illis, qui plures dictas meretrices carnaliter agnoscerent; quae fuerunt ibidem in aula publice carnaliter tractatae arbitrio praesentium, et dona distributa victoribus. – Meine deutschen Leser werden mir wohl die Übersetzung erlassen.