Johann Nikolaus Becker: Beschreibung meiner Reise in den Departementern vom Donnersberge, vom Rhein und von der Mosel im sechsten Jahr der Französischen Republik, in Briefen an einen Freund in Paris | |
|
Aber was sollen die übrigen Verzierungen, diese Auswüchse des stupiden Geistes des Mittelalters? dieser überladene Prunk? diese Steinklumpen von geharnischten Rittern, ohne Kunst und Interesse der Person? diese geheiligten Fetische? dieses unbewegliche Gitterwerk? diese prächtigen Polster, weiland für die Domherrn gemacht? dieser mit kleinlichen Zierrathen überladene Thurm, zwar erst 40 Jahre alt, aber darum nicht minder das Meisterstück des verdorbenen Geschmacks?
Wahrlich, die Verse über dem Eingange des Doms haben keinen Sinn:
- HAEC QUI TEMPLA SUBIS, AD COELUM ATTOLLITO MENTEM,
- SINTQUE PROCUL NUGAE, SIT SCELUS OMNE PROCUL.
Wenn du weisst, dass man hier zehn Kollegiatstifter, sieben Pfarren, fünf Mönchs- und vier Nonnenklöster findet, so kannst du jetzt schon auf die Revolutionen schliessen, die nun hier bevorstehen. EMMERICH JOSEF, der letzt verstorbene Kurfürst, der, wie RISBECK sagt, zuerst seinen geistlichen Schaafstall auszumisten anfing, hat für sein Zeitalter genug gethan. Nun sich Alles diess mit dem Geiste der Republik nicht weiter verträgt, muss das ganze Sistem niedergestürzt, und dadurch
Johann Nikolaus Becker: Beschreibung meiner Reise in den Departementern vom Donnersberge, vom Rhein und von der Mosel im sechsten Jahr der Französischen Republik, in Briefen an einen Freund in Paris. Christian Gottfried Schöne, Berlin 1799, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JN_Becker_-_Beschreibung_meiner_Reise_1799.pdf/71&oldid=- (Version vom 17.7.2023)