Es war einmal ein Pastor, der diente dem Gelde mehr, als dem lieben Gott. Darum dachte er bei sich, als sein alter Küster zu Johannis starb:
„Was sollst du einen neuen Küster anstellen? Nach der Ernte kommen die vielen Hochzeiten, da fällt ein gutes Stück Geld ab und manche Gans und manche Speckseite, das kannst du selbst verdienen.“
Gedacht, gethan; er war von nun an Pastor und Küster zugleich; und mit jedem Tage wurde die Speisekammer der Frau Pastorin voller, und das Geld in der Kiste schwoll immer höher an. Als aber Martini kam, da die Leute ans Sterben denken und manche Leiche bei Hagel und Schnee von den Schulkindern zur ewigen Ruhe gesungen wurde, da mochte dem Pastor das Küsteramt nicht mehr behagen, und er sann und sann:
„Wie schaffst du dir das Übel vom Halse?“
Indem hörte er lustige Klänge vom Wirtshaus herüber schallen. Das war ein alter, abgedankter Soldat, der spielte auf seiner Fiedel den Bauern zum Tanze auf und sang dazu mit heller, klarer Stimme.
„Der kommt dir, wie gerufen!“ sprach der Pastor
Ulrich Jahn: Schwänke und Schnurren aus Bauern Mund. Mayer & Müller, Berlin 1890, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahn_Schwaenke_und_Schnurren_aus_Bauernmund.djvu/111&oldid=- (Version vom 1.8.2018)