Es war einmal ein armer Bauer, der fuhr eines Morgens, früh, ehe die Sonne aufging, in den Wald, um Holz zu schlagen. Da traf er unter einer Eiche ein steinaltes Mütterchen, das stand vor einem großen, eisernen Kasten und sprach zu ihm:
„Du kannst mich erlösen und dich glücklich machen! Hier, dieser eiserne Kasten ist bis oben an mit harten Thalern gefüllt. Nimm ihn mit dir nach Hause; sag aber keinem Menschen ein Sterbenswörtchen davon, es würde dein Unglück sein.“
Die Worte gefielen dem Bauern von Herzen wohl, und das alte Mütterchen war noch so freundlich, mit anzufassen, daß er die Kiste auf den Wagen bekam. Dann bedankte er sich schön und fuhr wieder nach Hause zurück.
„Mutter“, sagte er, als der Wagen vor der Thüre hielt, „ich soll’s zwar niemand sagen, aber du bist meine liebe Frau; für dich gilt das Versprechen nicht.“
„Da hast du auch recht, Vater,“ erwiderte die Bäuerin neugierig, „ich bin verschwiegen wie das Grab.
Ulrich Jahn: Schwänke und Schnurren aus Bauern Mund. Mayer & Müller, Berlin 1890, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahn_Schwaenke_und_Schnurren_aus_Bauernmund.djvu/48&oldid=- (Version vom 1.8.2018)