die Hühner die Gerste auf, bis kein Körnchen mehr zu finden war. Darnach liefen sie auf den Hof zurück, der Bauer aber deckte das Faß wieder auf und sprach zu seiner Frau:
„Mutter, jetzt sind sie aus dem Dorfe heraus!“
„Ach, Vater, was habe ich Angst ausgestanden!“ sprach die Bäuerin. „Hu, wie sie pochten: Pick, pick, pick! mit ihren langen, eisernen Schnäbeln! Aber ich habe nicht gemuckst, und sie haben mich nicht gefunden.“
„Gott sei Dank, auch mich haben sie nicht entdeckt!“ sagte der Bauer, und damit war die Sache abgemacht.
Als nun die vierzehn Tage vergangen waren, wurde der Bauer mit seiner Frau vor Gericht geladen. Der Bauer leugnete alles rund ab. Als die Herren aber seiner Frau hart zusetzten, verschwur sie sich hoch und teuer, es sei so gewesen, wie sie ihrer Nachbarin erzählt habe.
„Glaubt dem Weibe nicht, ihr Herren,“ rief der Bauer, „sie hat’s im Kopfe! – Wann ist’s denn gewesen, Mutter, daß ich die Kiste nach Hause brachte?“
„Besinn dich doch, Vater,“ antwortete die Frau, „den Tag vorher, als unser Herrgott Kringeln regnen ließ!“
Die Gerichtsherren schüttelten mit den Köpfen, und der Bauer sagte:
„Hab ich nicht recht? Sie ist verrückt!“
„Ich soll verrückt sein?“ fuhr die Bäuerin eifrig fort. „Besinn dich doch, Vater, es war zwei Tage vorher, als unsers Königs neue Soldaten mit den langen, spitzen,
Ulrich Jahn: Schwänke und Schnurren aus Bauern Mund. Mayer & Müller, Berlin 1890, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahn_Schwaenke_und_Schnurren_aus_Bauernmund.djvu/52&oldid=- (Version vom 1.8.2018)