ledig bleibst und der Hof einen Herrn hat, soll ich dein Mann werden.“
Die Frau sah den Handwerksburschen, daß er jung von Jahren und schön von Gestalt war; dann dachte sie an den alten, griesgrämigen Bauer, und sie besann sich nicht lange, reichte dem Burschen die Hand und führte ihn in die Stube.
„Mutter“, sagte der schlaue Fuchs, als sie drinnen waren, „ich will dich nehmen, da ich’s dem Bauer nun einmal versprochen habe; aber so, wie er jetzt ist, heirate ich nicht in den Hof hinein. Die beiden großen Lindenbäume zur Rechten und zur Linken des Thores müssen umgehauen werden, und das noch heute.“
„Das habe ich längst gerne gewollt“, antwortete die Bäuerin; denn sie fürchtete, dem jungen Handwerksburschen möchte am Ende die Sache wieder leid werden, wenn sie nein sagte. Da schickte der Handwerksbursch die Knechte hinaus, daß sie die Bäume umschlügen; und es dauerte gar nicht lange, so war die Arbeit gethan.
Inzwischen hatte der Müller das Korn gemahlen, und der Bauer nahm den Sack wieder auf den Nacken, setzte sich auf seinen Braunen und ritt nach Hause. Es war schon dunkel geworden, als er das Dorf erreichte; aber so viel sah er doch, daß der Gaul in einen falschen Hof einbog, denn vor seinem Thore standen zwei große Lindenbäume. Er warf also das Pferd herum und sprach zu ihm: „Heda, Brauner, aufgepaßt! Du kennst wohl deinen eigenen Stall nicht mehr?“
Der Braune sah noch einmal sehnsüchtig nach dem Stall hinüber, dann mußte er dem Zügel folgen und
Ulrich Jahn: Schwänke und Schnurren aus Bauern Mund. Mayer & Müller, Berlin 1890, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahn_Schwaenke_und_Schnurren_aus_Bauernmund.djvu/68&oldid=- (Version vom 1.8.2018)