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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

zu haben; denn bei den Kleinrussen heissen die Personen, die um Lohn dienen, also blos als blinde Werkzeuge sich dem Willen anderer unterwerfen, Kasaki, und die von den russischen Knjäsen gemietheten Polowcer zur Zeit der Bürgerkriege wurden Kosaken genannt. Dass sie mit den Tataren gemeinschaftliche Sache machten, scheint darauf hinzuweisen, dass sie aus einer Mischung von Türken, Mongolen und Slawen entstanden, was theils ihre asiatischen Sitten, theils ihre Physiognomie, theils aber auch der Umstand zu beweisen scheint, dass es vom XIV. bis zum XVI. Jahrhundert auch Kosaken türkischen Stammes gab, wie z. B. die Azowischen, und dass nach Bronewski (in der erwähnten Geschichte) selbst die saporoger Kosaken aus einer Mischung der Slawen mit den türkischen Resten am Dnjeper entstanden sind. Ausserdem ist noch darauf aufmerksam zu machen, dass der Held der Judenverfolgungen, welche Sabbati beschreibt, nämlich Bogdan Chmjelnicki, welchen die Hebräer Chmel nennen, der erste war, welcher den zügellosen Banden der saporogischen Kosaken eine Art Statut, Universal genannt, gab, wodurch sie erst politisch existirten. Chmjelnicki hat bei Gelegenheit des Aufstandes 1648 zuerst eine gewisse Obergewalt, durch die Wahl der Kämpfer, über die Saporoger erhalten, und er bestätigte ihnen den 15. Jan. 1655 in Bjela Cerkwa alle diejenigen Privilegien und Rechte, welche ihnen der polnische König Stephan Batori, um sie im Zaume zu halten, in Gnadenbriefen versprochen; aber selbst aus dem Universal ist deutlich zu ersehen, wie wenig sie ein selbstständiges Gefühl beseelt und wie sie bald dieser bald jener slawischen Macht ihre Dienste als Freibeuter anzubieten geneigt sind.




 Vernehmet die Kunde, ihr frommen Gemeinden Gottes, wenn ihr sie noch nicht gehöret; vernehmet ihr, die ihr Jehova anrufet und in heiligem Beben auf sein Wort lauschet, die ihr nach allen Zipfeln der Erde verstreuet seid und isolirt wohnt; vernehmet auch ihr, wo das königliche Wort und das heilige Gesetz verstanden wird, die betrübende Kunde. Eine namenlose Trauer hat die Juden erfüllet; Fasten, Weinen und die bitterste Klage durchschauert alle Herzen; die Hochgeachteten und Grossen gehen in Trauergewändern gehüllt, und die Angesehensten streuen Asche auf ihr Haupt. Denn die israelitische Genossenschaft, das Volk Gottes, fiel durch das blitzende Schwerd; es fiel durch grenzenlose Verfolgungen, in namenlosen Ausrottungen durch die Hände von seelenschmutzigen Christen. Fluchreiche Horden und Empörer metzelten Tausende und Myriaden frommer Israeliten nieder; gottbegeisterte Männer und Frauen, Israeliten von der edelsten Art, deren gottgeweiheter Sinn unschätzbar war, gelehrte Rabbinen und hochgelehrte Forscher, welche grossen talmudischen Akademien vorstanden, fielen durch das Schwerd.

 Eine verächtliche Horde, eine niedergetretene und gemeine, ein Schelmengesindel und eine Raubbande, das sind die Griechisch-gläubigen [1]), die man mit Namen Kosaken nennt. Die Ackerer und Winzer unter denselben, vorzüglich die Landbauer, rotteten sich nah und fern zusammen und empörten sich wider den polnischen König, wider seinen Adel und seine Vasallen, die eine edle, stolze und riesenkräftige Menschenklasse bildeten. Der genannte bedrohete König hiess Wladislaw, ein frommer Herrscher, der unter die Gerechten gezählt zu werden verdient; denn auch gegen die Juden war er gütig und mild, und liess walten mit ihnen seinen Bund. Da geschah es im Jahre 5408 nach Erschaffung des Erdenrunds und der Himmel — also 1648 — im ersten Kirchenmonat des jüdischen


  1. In den hebräischen Schriften jener Periode hiessen alle Slawen, welche der griechischen Kirche anhängen, schlechtweg Jewanim (יונים) d. h. Griechen; daher die Benennung Griechen für Kosaken. Beim Aufblühen der russischen Macht führten die Russen diesen Namen, und der Car hiess „König der Griechen.“ In den Trauer- und Bussliedern, worin über die harten Bedrückungen und Verfolgungen der Griechen geklagt wird, sind die Russen zu verstehen.
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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/116&oldid=- (Version vom 29.12.2019)