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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

von den umwohnenden Völkerschaften theils aufgerieben, theils in sich aufgenommen waren. Und wenn spätere lateinische und griechische Schriftsteller im Norden Europa’s immer noch Sarmaten finden, so werfen sie unter diesem Namen eine Reihe von Völkerschaften aus den verschiedensten Stämmen zusammen, ohne Unterscheidung und Kenntniss. Neuere Historiker haben sich dadurch verleiten lassen anzunehmen, die Sarmaten seien die Vorväter der Slawen und hätten diesen ihren jetzigen Namen erst später in Europa angenommen; allein die ganze Geschichte der sarmatischen Völkerschaften, ihr Auftreten unter den osteuropäischen Nationen, ihre Lebensweise und ihr Charakter thun doch zur Genüge dar, dass sie von den Slawen in jeder Hinsicht himmelweit verschieden sind. Sie waren ein nomadisches Räubervolk, dem medopersischen Stamme angehörig, das wie jedes seines Gleichen unter den wilden Streifzügen und beständigen Kämpfen endlich gänzlich aufgerieben wurde. §. 17. Die Völker des keltischen Stammes, bei den Slawen unter dem Namen Wlach (Wälsche) bekannt, einer der mächtigsten und grössten Volksstämme des alten Europa, breitete in etwa 5 Jahrhunderten seine Herrschaft von der Loire bis zum schwarzen Meere aus. Aus Gallien, der Urheimath, zogen im Verlauf jener Zeit aus und trafen mit den Slawen zusammen folgende Völkerschaften, welche für keltisch genommen werden müssen: die Bojer, Taurisker, Skordisker, Ombronen oder Ambronen, Kothiner oder Gothiner, Bastarner, Peukiner (Galater vor Olbia). Auch die Anartophrakten, so wie die Anarten und Teurisker des Ptolemaios hält Schafarik für Kelten. §. 18. Ueber die Völker deutschen Stammes spricht sich in Rücksicht auf die Slawen der Verfasser hier so aus: „Die Züge der Kimbern und Teutonen zeigen den Weg an, auf welchem die alten deutschen Völkerstämme keineswegs von Osten nach Westen, sondern von Westen nach Osten über die Karpathen hinaus nach den Pontos hin zogen. Eben so kamen die Slawen nicht von Osten nach Westen, sondern sassen seit der frühesten Zeit in den Ländern des östlichen Deutschland und an der untern Donau; aber die kriegerischen deutschen Völkerstämme des östlichen Deutschland siegten in langwierigen blutigen Kämpfen in nicht mehr bestimmbarer Zeit über die Slawen und setzten sich unter ihnen als Lehnsherren, etwa so wie die Franken unter den Galliern oder die Longobarden unter den Italienern fest, so dass die mittelalterliche Geschichte des östlichen Deutschland fast blosse Wiederholung der ältesten ist.“ Die Gränze der Germanen und Slawen im Anfange der historischen Zeit liegt zwischen der Oder und Weichsel: „wir lassen den Urgermanen das grosse Germanien im Westen der niedern Oder, ohne die Sueven mit Wersebe für entnationalisirte Slawen zu erklären; den Urslawen vindiciren wir aber die lygischen Lande östlich von der Oder, indem wir Gothen und die übrigen Sueven für blosse Einwanderer erklären.“ Daher führen die Bewohner dieser Gegenden bei den späteren Schriftstellern „ihrer Abkunft nach den Namen Sueven, wegen ihrer Vermischung mit den Winden den Spitznamen Windilen, Wandilen, Wandalen, in geographischer Beziehung wegen ihrer Besitzergreifung der slawischen Luhy (feuchte Niederungen mit Wald) den Namen Lygii, Lugii, Lugiones.“ Ausser diesen werden nur diejenigen germanischen Völkerschaften näher besprochen, welche mit den Slawen in Berührung kamen. §. 19. Die Völker des lithauischen Stammes sind den Slawen viel näher verwandt als andere indoeuropäische Völker, auch sind sie seit undenklicher Zeit immerwährende Nachbarn derselben; haben daher für die slawischen Alterthümer eine besondere Wichtigkeit. Beide bildeten ehemals zusammen eine Nation, welche Schafarik den „windischen Volksstamm“ nennt. Die lith. Sprache hält die Mitte zwischen der slawischen und griechischen. Diese Lithauer waren seit jeher ein kleines Völkchen und sassen in ihrer jetzigen Heimath neben den Slawen so lange als diese. Und wenn spätere, besonders deutsche Forscher die bei den Lateinern an den Ostseeküsten genannten Aestier durchweg für deutsche Gothen erklären und von Lithauern in jener Gegend nichts mehr wissen wollen, so ist das eine historische Unwahrheit, die nur in der nationellen Eitelkeit jener Männer ihren Erklärungsgrund findet. §. 20. Die Völker des thrakischen Stammes. Sie

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/21&oldid=- (Version vom 4.8.2020)