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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

in seiner „Historia Borussiae 1726“ zum Ueberfluss beweiset, so hatten die alten italienischen Schriftsteller Recht, wenn sie Thorn die Geburtsstadt Koperniks, Citá di Masowia nannten. Ausserdem giebt es Handschriften von den Zöglingen der alten ungarischen Bursa (Convict) an der Krakauer Akademie, worin diese den Kopernik einen Masuren, keineswegs aber einen Preussen nennen.

 So wie der Geist der Stadt Thorn trotz der deutschen Sprache, welche seit dem dreizehnten Jahrhundert in Krakau und Thorn mit der polnischen in gleichem Maasse gesprochen und geschrieben wurde, („denn die Polen haben stets für die Deutschen mehr Achtung, als diese Gerechtigkeit für sie gehabt,“ sagt der Verfasser) — so wie also der Geist von Thorn keineswegs ein deutscher war, so ist auch der Name dieser Stadt nicht im Geringsten deutsch.

 Aus den bisher angeführten Facten ersieht man, wie sehr das in anderer Hinsicht so schätzenswerthe „Conversationslexikon“ sich selbst geschändet hat, wenn es den slawischen Kopernik zu einem Sohne von westphälischen Bauern macht, um ihn per fas et nefas zu einem Deutschen zu stempeln. Es hat in diesem Falle eben so sehr Recht, als es seine alten Landsleute hatten, wenn sie Kopernik zu einem Schüler des Johann Müller Regiomontanus, und diesen letztern zu einem Preussen machten, oder als es der polnische Priester Ignaz Chodyniecki hat, der in seinem Wörterbuche der gelehrten Polen, Lemberg 1833, den Kopernik in die Schule nach Königsberg schickte. Der Astronom Müller starb 1476 in Rom, während Kopernik 1473 in Thorn geboren kaum drei Jahre alt war. Und als Kopernik 1543 auf dem Lorbeer seines europäischen Ruhmes starb, da gründete Albrecht der Kurfürst von Preussen das Gymnasium in Königsberg. Das gelehrte Werk: „Erläutertes Preussen,“ Königsberg 1724—28, lehrt (Thl. IV. S. 167), dass Königsberg bis 1541 kaum eine Pfarrschule besass, und dass die Gründung des Gymnasiums erst auf jenes Jahr fällt, welches von Sigmund von Polen, als dem Lehnsherrn des preussischen Fürsten als Akademie ad profligandam impietatem ac barbariem, wie es in der Vorrede zu dem Grundgesetz dieser Schule heisst, bestätigt wurde. Nach dem: „Entwurf der preussischen Literaturgeschichte von Pisanski, Königsberg 1791“ entstand die höhere Schule in Elbing 1300, in Thorn um 1350, in Kulm 1405, in Danzig 1416, und in Königsberg 1541, also zwei Jahre vor dem Tode Koperniks. Unser Astronom konnte also nicht die Königsberger Schule besucht haben, sondern er bildete sich in der Thorner aus und ging dann in die Hauptakademie nach Krakau.

 Die Matrikel der Krakauer Akademie lehrt, dass 1) schon seit dem Jahre 1400 die Thorner und Danziger ihre Jugend an diese Akademie sandten; 2) dass der Familienname der polnischen Jünglinge nicht in dieses Buch eingetragen wurde, sondern nur der Taufname; 3) dass nur bei fremden Jünglingen Tauf- und Familienname eingetragen wurden; 4) dass die Akademie schon in ihrem ersten Jahrhunderte neben den Studenten aus Polen und Litthauen auch solche aus Ungarn, Mähren, Böhmen, Baiern, Sachsen, Brandenburg, Schlesien, aus dem Königsberger Preussen und aus der Schweiz hatte. In diesem Buche nun ist unterm Jahre 1491 im zweiten Semester unter dem Rectorate des Maciej von Kobylin unser Nicolaus Kopernik, der Sohn des Nicolaus, mit den Worten eingetragen: „Nicolaus Nicolai de Thorunia.“ — Aus dem Promotionsbuche, das von 1406 anfängt und bis ins 17. Jahrhundert geht, zeigt es sich nicht, dass Kopernik in Krakau einen akademischen Grad erlangt hätte. Die Entfernung des Professors der Astronomie Wojciech Brudzewski aus Krakau nach Wilna 1494, wo dieser würdige Lehrer Koperniks 1495 starb, so wie die unter dem Einflusse eines solchen Lehrers von dem Schüler eingesogenen Ideen über den Bau der Welt, welchen der damalige Fanatismus ein strenges Stillschweigen auflegte, hielten den jungen Kopernik ab, in Krakau um einen akademischen Grad sich zu bewerben.

 Der Verfasser sah eine in Krakau 1493 geschriebene und 1495 in Mailand

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 249. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/260&oldid=- (Version vom 13.12.2020)