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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Anschauungsweise von selbst zusammen, ohne dass man nöthig hat, einzelne Kapitel näher zu zergliedern. Der Verfasser hat sich an einen Stoff gewagt, dem er in keiner Beziehung gewachsen war. Entschuldigen kann er sich nicht mit dem Einwurf, dass er nur Erlebtes und flüchtige Anschauungen dem deutschen Publikum vorlegen wollte. Wer sich zur Anschauung und Beurtheilung so mannigfaltiger und hochwichtiger Dinge hinaufschwingen will, wie Herr Welp, thut besser, zu schweigen, als einen neuen Beleg zu der obigen Ansicht der Russen zu liefern. Das russische Leben will aus sich selbst erklärt werden. Dazu bedarf man freilich ganz anderer, historisch-statistischer und ethnographischer Kenntnisse, als Herr Welp ausgekramt hat. Wäre wirklich das russische Volk so durch und durch unsittlichen Wesens, so konnte man gar nicht begreifen, wie es überhaupt zu einem so grossen gesellschaftlichen Vereine erwachsen und als solcher bis jetzt bestehen konnte. Ohne Zweifel liegt in dem Volke ein kräftiger Kern; ihn unter der Hülle zu erkennen, ist aber nicht die Sache eines Mannes, der sich wegen seiner Anmassung und Unverschämtheit an der Oder wie an der Newa einen grossen Namen unter seinen Collegen sowie bei vielen andern Personen gemacht hat.

Kn.



VI.
Specielle literarische Uebersicht.

A. Bibliographie.

Bemerkung: Die mit * bezeichneten Schriften werden später weitläufiger besprochen.

I. Russische Schriften.
a) Wissenschaften.

1. О Распознаваніи и Леченіи Золотушной Болѣзні: Von der Erkennung und Heilung der Skropheln. Vom Medicochirurgen Bredow. Petrb. 1842. 8. XII. 272 S. Seit der Uebersetzung von Hufeland’s Schrift das erste Werk über diesen Gegenstand in russischer Sprache, und darum schon, sowie durch seinen innern Gehalt, sehr verdienstlich.

2. Сельскій Домашньій Лечебникъ: ländliches Arznei-Buch oder ärztliche Unterweisungen für die kaiserlichen Bauern. Herausgegeben vom Domaineministerium. 2 Thle. Im ersten die Regeln für die Heilung menschlicher Krankheiten, im zweiten für die der Hausthiere. 48 und 78 Seit. 8. Ein Buch, rein für das Volk geschrieben, von den auf den kaiserlichen Gütern angestellten Aerzten verfasst und vom Medicinalrathe begutachtet.

3. Леченіе Молокомъ: die Heilung mit Milch, oder medicinische Heilkräfte der Milch; von A. S—w. Moskwa. Lazarew. 1842. 18 und 71 S. Dine populär gehaltene Compilation, die aber für das russische Volk nicht ohne Nutzen sein kann.

4. Легчайшій Способъ Леченія Лошадей и Коровъ (die leichteste Weise, die Krankheiten der Pferde und Kühe zu heilen). Moskwa 1842. Stepanow. 12. 3 Thl. Eine schlechte Compilation aus alten russischen und einigen wenigen ausländischen Schriften.

5. Дополненіе къ Обясненіямъ Аптекарскихъ Сигнатуръ. Zusätze zu der Erklärung der Apotheker-Signaturen, zum rechten Gebrauch der Arzneien für die Landleute. Vom Akademiker W. Worobjewski. Moskwa 1842. Lazarew. 12. 30 S. Die Nothwendigkeit und Nützlichkeit eines solchen Buches steht über allen Zweifel. Das vorliegende wird den Bedürfnissen so ziemlieh genügen.

6. Краткое Извлеченіе изъ Руководства Водопотоваго Леченія. Kurzer Auszug aus der Anleitung zur Hydrosudopathie nach der Methode des Priesnitz von Dr. Bigelais (?). Aus dem Französischen von Dr. Was. Worobjewski. Eine neue Frucht der Bemühungen des Verfassers, seinen Landsleuten richtige Begriffe vom Heilverfahren und Rath in Krankheiten zu ertheilen.

7. Исторія Древней Философіи: Geschichte der alten Philosophie, für das Verständniss jedes Gebildeten eingerichtet von Dr. K. Sederholm. Moskwa. Semen. 1842. 2 Thle. 282 u. 197 S. Ein an sich und für Russland insbesondere sehr wichtiges Buch. Der Verfasser bespricht im 1. Theile die sogenannte indische, chinesische und persische Philosophie und schliesst mit den griechischen Sophisten. Der 2. Theil beginnt mit Sokrates und schliesst mit dem Verfall der griechischen und ihrem allmähligen Uebergange in die römische Philosophie. Der Standpunkt des Verfassers ist nicht der der neuesten Philosophie, was ihm von russischen Kritikern sehr vorgehalton wird, welche von Schelling und Hegel wie von alten Bekannten sprechen. Der Verfasser prend son bien оù il le trouve, und ist somit am meisten geeignet, eine populäre Geschichte der Philosophie zu schreiben. Und dies ist

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/88&oldid=- (Version vom 13.7.2020)