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nicht gänzlich beigetreten war, wurde eines hochfahrenden Sinnes, wer seinen Freimuth beim Anschluss mit sich nahm, der Geringschätzung, wer schmeichelte, des Verrathes verdächtigt. 365 Die schwersten Anklagen, wie die geringfügigsten, zogen alle ein und dieselbe Strafe nach sich, den Tod! Niemand entgieng seinem Schicksal, außer der, welcher entweder von ganz niedriger Herkunft oder ohne alle Glücksgüter war.

366 (2.) Alle höheren römischen Officiere betrachteten den Zwist unter den Feinden als eine unerwartete Gunst des Kriegsgottes und wollten sich darum sofort auf die Stadt werfen, wozu sie auch Vespasian, den sie schon für den Herrn der Situation hielten, dringend aufforderten. Es sei, meinten sie, eine besondere Fügung Gottes zu Gunsten der Römer, dass die Feinde selbst jetzt durcheinander gebracht wären: 367 immerhin aber sei der Umschwung oft ein rascher, und würden sich die Juden wohl wieder schnell miteinander abfinden, wenn sie entweder an ihrem inneren Uebel genug gelitten hätten, oder ihnen die Reue kommen sollte. 368 „Ihr habt da gar weit fehlgeschossen“, erwiderte Vespasian, „indem ihr vor lauter Begierde, nur mit der Stärke eurer Faust und dem Glanze eurer Waffen bei einem, allerdings nicht unblutigen, Schaustück gleichsam paradieren zu können, die Zuträglichkeit und Sicherheit ganz aus dem Auge lasset. 369 Denn, wenn wir sofort gegen die Stadt stürmen, so werden wir nur das eine erzielen, dass die Feinde wieder zusammenhalten und ihre volle Kraft dann gegen uns kehren: halten wir uns aber noch zurück, so wird der Bürgerkrieg noch weiter ihre Reihen lichten, und wir haben es dann mit noch weniger zu thun. 370 Ja, Gott ist ein besserer Stratege als ich, weil er es versteht, den Römern auch ohne Schlachtenstaub die Juden zu überliefern und ihrem Heere einen gefahrlosen Sieg zu schenken. 371 Wenn nun der Feind mit eigener Hand sich selbst zerfleischt und vom ärgsten Uebel, dem Bürgerkriege, heimgesucht wird, so sollten wir doch lieber den Gefahren in mäßiger Ruhe zuschauen, als mit bewaffneter Hand unter todeswüthige und wie tolle Hunde aufeinander losstürzende Menschen uns mischen. 372 Sollte aber Jemand der Meinung sein, ein Siegeskranz könne, ohne Kampf erworben, nur ein welker sein, so möge er wissen, dass ein geräuschlos gewonnener Erfolg jedenfalls einen größeren Nutzen bringt, als eine gewagte Waffenthat. 373 Auch darf man ja diejenigen, welche glänzende Proben ihrer Tapferkeit abgelegt haben, darum nicht höher an Ruhm stellen, als jene, die durch Zurückhaltung und Klugheit dieselben Erfolge zustande gebracht haben. Während auf diese Art die Feinde immer weniger werden, wird sich zugleich mein Heer von den unausgesetzten Anstrengungen erholen

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/337&oldid=- (Version vom 1.8.2018)