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hatte – das Grab. 384 Kurz und gut, es gab keine edlere Regung, die in jener Schreckenszeit dermaßen geschwunden war, wie das Erbarmen! Denn gerade das, was das Herz erweichen musste, das war es, was die Unholde noch mehr reizte. An den Todten ließen sie wegen der Lebenden, an den Lebenden aber wegen der Todten ihre ganze Wuth aus. 385 Wer noch verschont war, pries im Uebermaß der Angst, in der er schwebte, selbst jene selig, die vor ihm schon ergriffen worden, weil sie wenigstens der peinlichen Ungewissheit los waren; die in den Gefängnissen schmachtenden nannten sogar die Todten, die kein Grab hatten, noch verhältnismäßig glücklich. 386 Alles menschliche Recht wurde von ihnen mit Füßen getreten, die göttliche Offenbarung verlacht und die Aussprüche der Propheten als gauklerisches Machwerk verhöhnt. 387 Die Propheten haben nämlich viele göttliche Weisungen über die Tugend sowohl wie das Laster in alter Zeit ergehen lassen, und gerade durch deren Uebertretung sollten die Zeloten auch der Prophezeiung vom Untergange des Vaterlandes ihre Erfüllung bringen. 388 Denn es bestand ja eine von gotterfüllten Männern gebrachte alte Weissagung, dass gerade dann die Stadt in Feindeshand fallen, und das Heiligthum bei der Erstürmung niedergebrannt werden würde, wenn ein Bruderkampf hereingebrochen und der Tempelbezirk zuvor von den Händen der Juden selbst entweiht sein würde. Eben diese Weissagung war es nun, welcher sich die Zeloten trotz ihres Unglaubens als Werkzeuge zur Verfügung stellen mussten.


Siebentes Capitel.
Die Partei des Johannes. Die Sicarier von Masada rühren sich. Vespasian nimmt Gadara. Grosses Gemetzel am Jordan.

389 (1.) Da Johannes (von Gischala) sein Auge auf die Gewaltherrschaft geworfen hatte; so fand er es bereits unter seiner Würde, sich genau so wie seine Genossen behandeln zu lassen, und suchte allmählich kleinere Gruppen der abgefeimtesten davon auf seine Seite zu bringen, um sich auf diese Weise von der Hauptpartei der Zeloten frei zu machen. 390 Immer störrisch gegen die Beschlüsse der übrigen, bestand er desto herrischer auf seinen eigenen Befehlen und verrieth so deutlich, dass nur nach der Alleinherrschaft sein Verlangen gehe. 391 Manche ließen sich aus Furcht, manche aber auch aus wirklicher Anhänglichkeit zu seiner Gefolgschaft bewegen, da er eine besondere Gabe hatte, mit Trug und List die Leute an sich zu ziehen. Viele andere wieder gab es, die im Interesse ihrer Sicherheit es für geboten hielten, dass man die Schuld an den Frevelthaten nunmehr auf einen einzigen Mann abwälzen konnte, statt sie auf viele vertheilen zu müssen. 392 Uebrigens war es

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 339. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/339&oldid=- (Version vom 1.8.2018)