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Seite:Journal des Luxus und der Moden 1810 Seite 298-314.djvu/8

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hier im Gemälde ist der Fall umgekehrt. Es ist wahr, Horaz erlaubt dem Dichter, Maler zu seyn – „ut pictura poësis“ –; allein es gilt nicht überall von den Malern: ut poësis pictura. Boileau’s bekannte Worte finden daher wohl auch hier eine Anwendung:

il est des objets que l’art judicieux
doit offrir à l’oreille et reculer des yeux. –

Ein drittes Oelgemälde des Hrn. v. Kügelgen war ein Ganymed. Der Künstler hat diesen Gegenstand nicht natürlich, – welches hier füglich unnatürlich heißen könnte, – sondern idealisch aufgefaßt; und dies mit Recht: denn nach Ovid ist der Adler Jupiter selbst. Wie konnte man also hier Statt einer Exaltation die an sich unmögliche Handlung eines Raubvogels zu sehen verlangen? – Doch zum Bilde! Hoch über dem Nebelthale der Erde, um sich her Nacht, unter sich Wolken und niederfallende Blitze: so schwebt Jupiters Adler zu dem Lichte, das die Ferne nach oben öffnet, mit kühnem Blick empor. Er umfaßt mit dem rothen Gewande, welches frei in der Luft flattert, den blühenden Körper des Jünglings, so daß die schöne Form sich halb schwebend, halb getragen zeigt. Ganymed sieht verlangend und begeistert zur neuen Welt auf: den er fühlt es, daß ein Gott ihn trägt. So dachte sich ihn Göthe:

     Aufwärts!
Umfangend umfangen:
Aufwärts an deinem Busen,
Alliebender Vater! –

Diese einfache und doch so reiche Composition unterscheidet Kügelgen’s Bild von allen ähnlichen seit dem Griechen Leokras bis auf Rembrandt. – Außer

Empfohlene Zitierweise:
Unbekannt: Kunst-Ausstellung in Dresden, am Friedrichstage den 5ten März 1810. Landes-Industrie-Comptoir, Weimar 1810, Seite 304. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Journal_des_Luxus_und_der_Moden_1810_Seite_298-314.djvu/8&oldid=- (Version vom 8.9.2024)