Unbekannt: Dresdener Kunstausstellung 1816 | |
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Natur so mütterlich mild bedachten, von Stürmen nicht zerschlagenen Ländchens. Jenen Auftritt aus der großen Sophokleischen Schicksalstrilogie, wo der edle Königsheld Theseus dem blinden, in tückische Schicksalswirren verflochtenen greisen Vater, Oedipus, die von dem kalten, staatsklugen Kreon geraubten, lang ersehnten Töchter, Antigone und Ismene, zurückführt, hat der wissenschaftlich und künstlerisch gebildete Professor Hartmann vorgeführt, und, wie zu erwarten war, mit dem ordnenden Verstand, der Farbengebung und Fertigkeit, die all seine Werke auszeichnet. Wohl möchten so riesige Gegenstände der alten plastischen Welt in größeren Dimensionen noch eine angemessenere Darstellung finden. Das Physische waltet hier ja immer über dem Psychischen und das Gemüthlose wird eher verziehen, als die kleinere Form. Von demselben Meister, ist jene Madonna dolorosa von schönem Ausdrucke, und einer Größe, die auch dem Schmerz noch steht. Vielleicht dürfte mehr Wärme der Farbengebung zu wünschen seyn.
Auch Herr von Kügelgen hat drei Bilder ausgestellt; Johannes den Evangelisten, wie er das Gesicht hat vom Throne Gottes mit den vier Thiergestalten – halb liegende Figur, tief begeistert hinschauend, ja hingegeben der Offenbarung und bereit, das Geoffenbarte wiederzugeben, voll Ausdruck und Geistesgluth! Ferner Diana und Endymion – Figuren in Lebensgröße, Endymion sitzend, schlafend, jugendliche Lebenswärme durchfließt den Körper, fast etwas zu roth, Diana naht, scheu besorgt, ihn zu erwecken. Ihre Anmuth ist etwas schaustellerisch und preciös und die glänzenden Farben wohl auch. Die tiefe Symbolik dieses Mythus, der beide Geschlechter sehr zart und mit einer Hindeutung auf die
Unbekannt: Dresdener Kunstausstellung 1816. Landes-Industrie-Comptoir, Weimar 1816, Seite 661. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Journal_des_Luxus_und_der_Moden_1816_Seite_655-665.djvu/8&oldid=- (Version vom 8.9.2024)