eine Hand umwendet, waren sie vor dem verwünschten Felsen. Alsbald nahm der Lange dem andern die Binde von den Augen, der sich nur umschaute, so war der Felsen in tausend Stücke zersprungen. Da nahm der Lange die Jungfrau auf den Arm, trug sie in einem Nu zurück, und kam wieder, und holte auch noch seinen Kameraden, und eh es zwölfe schlug, saßen sie alle wieder, wie vorher, und waren munter und guter Dinge. Im Schlag zwölf schlich die alte Zauberin herzu mit einem höhnischen Gesicht, als wollte sie sagen „nun ist er mein,“ und glaubte nicht anders, als ihre Tochter säße dreihundert Stunden weit im Felsen. Als sie aber herbei kam, und ihre Tochter in den Armen des Königssohns sah, erschrack sie, und sprach „da ist einer, der kann mehr als ich.“ Aber sie durfte nichts einwenden, und mußte ihm die Jungfrau zusagen. Doch sprach sie ihr ins Ohr „es ist eine Schande für dich, daß du durch gemeine Diener gewonnen wirst, und dir einen Gemahl nicht nach deinem Gefallen wählen darfst.“
Nun hatte die Jungfrau wirklich ein so stolzes Herz, daß sie darüber mit Zorn erfüllt wurde, und am andern Morgen ließ sie dreihundert Malter Holz zusammenfahren, und sprach zu dem Königssohn, die drei Bünde wären gelöst, aber wenn sie ihn heirathen sollte, müste jemand sich mitten in das Holz setzen, und das Feuer aushalten. Dabei dachte sie wenn die Diener ihm auch alles thäten, würde sich doch keiner für ihn verbrennen, und aus Liebe zu ihr würde er selber sich hinein setzen, und dann wäre sie frei. Wie aber die Diener das hörten, sprachen sie „wir haben alle etwas gethan, nur der Frostige noch nicht, der muß auch daran,“ und nahmen
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 2 (1837). Dieterich, Göttingen 1837, Seite 259. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder-_und_Haus-M%C3%A4rchen_1837_Band_2.djvu/268&oldid=- (Version vom 1.8.2018)