Seite:Knortz-Ein amerikanischer Diogenes (Henry D.Thoreau).djvu/16

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

hatte. Dieselben unterhielt er dann durch allerhand Taschenspielerkünste oder er spielte ihnen einige Stücke auf der Flöte vor. Auch leitete er jedes Jahr die regelmäßigen Excursionen der Kinder nach den ihm wohlbekannten Heidelbeerfeldern der Nachbarschaft, und jedes Kind, das sich seiner Führung überließ, brachte stets einen wohlgefüllten Korb nach Hause.

Thoreau war ein Mann von Wort; wer sein Vertrauen täuschte, machte sich ihn auf ewig zum unversöhnlichsten Feinde. Gegen alle aus dem Auslande importirten Moden, Ansichten und Ideen hatte er eine unüberwindliche Aversion; sein Stolz, Amerikaner zu sein, kannte keine Grenzen. Er würde sich schämen, sagte er, wenn der gewöhnlichste amerikanische Hinterwäldler nicht glücklicher sei, als es Adam vor dem Sündenfalle gewesen wäre. Amerika galt ihm für das begünstigste Land der Erde und Concord für die begünstigste Stadt darauf; doch erlaubte er Jedem, dasselbe von seiner Vaterstadt zu denken.

Thoreau hatte sich eine Sammlung der wichtigsten Schriften des Orientes angelegt, und daß er in denselben gründlich belesen war, zeigen zahlreiche Citate in seinen Werken. Diesen „Bibeln“, wie er sie nannte, wünschte er besonders unter den Christen eine große Verbreitung, damit dieselben endlich einmal lernten, liberaler zu denken, und damit sie von dem Wahne befreit würden, im alleinigen Besitze der höchsten religiösen Weisheit zu sein. Auch das Studium der griechischen und englischen Classiker hatte Thoreau fleißig kultivirt; von den modernen Schriftstellern gab er Goethe und Carlyle den Vorzug.

Einen wunderbaren Zauber übte er auf die Thiere aus. Häufig hob er, wie mehrere Augenzeugen berichten, Fische mit der Hand aus dem Waldensee, hielt sie eine Zeit lang in die Luft und ließ sie dann wieder in das Wasser zurückfallen. Wenn man ihn gröblich beleidigen wollte, brauchte man in

Empfohlene Zitierweise:
Karl Knortz: Ein amerikanischer Diogenes (Henry D. Thoreau). Verlagsanstalt und Druckerei A.-G., Hamburg 1899, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Knortz-Ein_amerikanischer_Diogenes_(Henry_D.Thoreau).djvu/16&oldid=- (Version vom 1.8.2018)