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Ptolemäus in seiner Kosmographie das bewohnte Land bis zum mittleren Längenkreise[1] aus, wobei noch überdies das unbekannte Land ausser Acht gelassen ist, wo die Neueren Cathagya[2] und sehr ausgedehnte Gegenden bis zu sechzig Längengraden hinzugefügt haben; so dass die Erde schon in einer grösseren Länge bewohnt ist, als das Uebrige des Oceans ausmacht. Das wird noch klarer werden, wenn diejenigen Inseln hinzugenommen werden, welche in unsrer Zeit unter den Herrschern Spaniens und Portugals entdeckt sind, und vorzüglich Amerika, welches nach seinem Entdecker, einem Schiffskapitän, benannt ist, und welches man, bei seiner noch nicht feststehenden Grösse für ein zweites Festland hält, ausser den vielen früher unbekannten Inseln; so dass wir uns nicht wundern dürfen, dass es Antipoden oder Antichthonen giebt. Denn nach geometrischer Berechnung muss man Amerika seiner Lage nach dem Indien des Ganges diametral entgegengesetzt annehmen. Nach allem Diesen halte ich es endlich für ausgemacht, dass das Land zugleich mit dem Wasser sich auf einem einzigen Mittelpunkt bezieht, dass es keinen andern Mittelpunkt des Umfanges des Landes giebt, dass die zerrissenen Theile des Landes, obgleich Letzteres schwerer ist, mit Wasser ausgefüllt sind, und dass also das Wasser im Vergleich zu dem Lande gering ist, wenngleich an der Oberfläche vielleicht mehr Wasser erscheint. Dass das Land mit dem es umfliessenden Wasser eine solche Gestalt habe, wie der Schatten der Erde zeigt, ist durchaus nothwendig, dieser aber verfinstert den Mond in Theilen eines vollkommenen Kreises. Die Erde ist daher weder eben, wie Empedokles und Anaximenes gemeint haben, noch paukenförmig, wie Leucipp, noch beckenförmig, wie Heraklid, noch auf eine andere Weise ausgehöhlt, wie Demokrit, noch walzenförmig, wie Anaximander, noch am untern Ende mit abnehmender Dicke nach der Tiefe hin unbegrenzt, wie Xenophanes: — sondern von vollkommener Rundung, wie die Philosophen dafür halten.

Capitel 4.
Dass die Bewegung der Himmelskörper gleichmässig, kreisförmig, ununterbrochen, oder aus kreisförmigen zusammengesetzt sei.

Hiernach bemerken wir, dass die Bewegung der Himmelskörper kreisförmig ist. Die Beweglichkeit einer Kugel besteht nämlich darin, sich im Kreise zu bewegen, indem sie durch diese Thätigkeit ihre Form, als diejenige des einfachsten Körpers, ausdrückt, an welchem weder ein Anfang noch ein Ende zu finden, noch eines von dem andern zu unterscheiden ist, während sie durch dieselben Zwischenpunkte in ihre ursprüngliche Lage gelangt. Wegen der Vielheit der Kreise giebt es aber mehrere Bewegungen. Die bekannteste von Allen ist die tägliche Kreisbewegung, welche die Griechen Nychthemeron nennen, d. h. der Zeitraum von Tag und Nacht. Durch diese, meint man[3], bewege sich die ganze Welt, mit Ausnahme der Erde, von Osten nach Westen. Sie wird als gemeinschaftliches Maass für alle

Anmerkungen [des Übersetzers]

  1. [6] 9) Dass Copernicus hier unter dem Ausdrucke „circulus medius“ nichts anderes versteht, als den 180sten Längengrad von Ferro (oder von den fortunatischen Inseln), geht daraus hervor, dass Ptolemäus, auf den sich Copernicus im Texte beruft, in seiner Geographie Lib. VI im Anfange des 16ten Capitels, welches über die Lage von Serica handelt, sagt: dies Serica grenze im Osten an unbekanntes Land, und zwar zwischen 35 und 63 Grad der Breite an den Meridian, der eine geographische Länge von 180° habe, Ptolemäus rechnet aber bekanntlich seine geographischen Längen von den fortunatischen (canarischen) Inseln, also ungefähr von Ferro. Mit dieser Bestimmung der Ostgrenze von Serica steht die Bemerkung des Ptolemäus, Geogr. Lib. I. Cap. 12, „Longitudo vero totius cognitae a Meridiane per insulas Fortunatas, usque ad Seras partium centrum 70 septem cum quarta una.“ in keinem Widerspruche, denn diese Längenbestimmung bezieht sich auf die Hauptstadt Sera (Sera Metropolis), deren geographische Länge a. a. O. Buch VI. Cap. 16 zu 177° 15′ bei einer nördlichen Breite von 38° 36′ bestimmt ist. Der Mathematiker Joh. Ant. Maginus (geb. zu Padua 1551, gest. zu Bologna 1617), welcher eine lateinische Ausgabe der Geographie des Ptolemäus mit Commentaren veranstaltet hat, bezeichnet in diesen letzteren pag. 24 die Lage von Sera mit 7h 55m d. i. 118° 45′ östlich von Alexandrien, und da nach Ptolemäus a. a. O. Buch IV, Cap. 5. die Länge von Alexandrien zu 60° 30′ angegeben wird, so wäre hiernach die Länge von Sera 179° 15′. Gegenwärtig kennt man die Länge von Alexandrien als 47° 30′ östlich von Ferro, und ist der Ansicht, dass das heutige Singanfu am Weiho, welches 126° 20′ östlich von Ferro und 34° 6′ nördlicher Breite liegt, jene alte Sera sei, welche bis auf Ptolemäus den östlichsten Punkt bildete, welchen die Kaufleute noch erreichten.
  2. [6] 10) Cathagya ist dasselbe Land, welches sonst auch Cataya oder auch Catayo genannt wird. Vergl. Geographia Cl. Ptolemaei, authore J. A. Magino. Agrippinensium Coloniae 1597. Pars II. foll, 234 und 235. In der auf der Rückseite von fol. 229 gegebenen Karte von dem „Tartariae imperium“ wird es zwischen 160° und 180° östlich von Ferro und zwischen 35° und 45° nördl. Breite, den japanischen Inseln gegenüber dargestellt. Ebenda fol. 24 liest man: „Octava Asiae tabula complectitur Scythiam extra Imaum montem, quae Barbaris Mongul, et recensioribus Tartaria antiqua dicitur; et Sericam, quae Cataio, vel Cambalu nonnullis dicitur.“ Ritter, Erdkunde von Asien Bd. I. 1832 p. 85 u. 86 sagt darüber: „Unter dem östlichen Hochasien verstehen wir jenes den ältern Griechen und Römern gänzlich unbekannt gebliebene Land, dessen südwestliche Grenzgebirge, Emodus und Imaus (Strabo G. XV. c. 1.) nur von Eratosthenes und Strabo erst genannt werden, ohne den dahinter in so grosser Weite ausgebreiteten Theil der Erde auch nur zu ahnen. Plinius, und nach ihm mehr noch Ptolemäus (Plin. H. N. VI. c, 24 und Ptol. VII. c. 3), lernt dort erst die nomadischen Scythen und die handeltreibenden Serer kennen bis zum Lande der fernen Sinan; seitdem erst kommt die grosse, der Landescultur entsprechende Benennung dieses Erdstriches, mit Ptol. VI. c. 15, in Gebrauch, nämlich als das Land der Nomaden ausserhalb, d. h. im Osten des Imaus (Scythia extra Imaum). Es ist dasselbe, was die alten Perser mit Turen (Wahl: Vorder- und Mittelasien, Leipzig 1795, p. 412—433), die Araber, theilweise wenigstens, mit Mawar-al-nahar, d. i. Land zwischen Oxus und Jaxartes, bezeichneten, was die heutigen Perser auch Weresrud oder Wararud (Sieben Meer b. v. Hammer in Wien. — Jahrb. 1826 Th, XXXVI. p. 273.) mit gleicher Bedeutung nennen. Derselbe Landstrich wird, seit dem Mittelalter, doch immer nur in seiner ostwärts weiterhin erkundeten Ausdehnung, von muhamedanisch-asiatischen und christlich- europäischen Autoren sehr häufig mit dem sehr unbestimmten Namen Cataja, Kathai belegt. Die Namensähnlichkeit mit Cathea Sophitis (bei Strabo XV. f. 699 u. Q. Curtius IX. 1.) in Indien, aus Alexanders des Grossen Zeit, ist nur dem Klange aber nicht dem Inhalte nach analog (Andr. Müller, Disquisitio geogr. et historic. de Chataja Berlin 1671 p. 79.). Dieser Name ist vielmehr von dem mongolisch-tungusischen Volke der Kithan, (plur. Kithat b. A. Remusat, vergl. Klaproth s. les différens noms de la Chine in Mém, rel. à, l’Asie. Paris. 1828. III. p. 259.) abzuleiten, das sich noch vor der Mongolenzeit, seit dem X. Jahrhundert, auf dem Throne Nord-China’s und westwärts in Tangut, zu einer weit verbreiteten Macht im hohen Hinter-Asien erhob.
  3. [6] 11) Almagest, I. 8.
Empfohlene Zitierweise:
Nicolaus Copernicus: Nicolaus Coppernicus aus Thorn über die Kreisbewegungen der Weltkörper. Ernst Lambeck, Nürnberg und Thorn 1879, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kreisbewegungen-Coppernicus-0.djvu/41&oldid=- (Version vom 1.8.2018)