Familie der Gestirne. Auch wird die Erde nicht des Dienstes des Mondes beraubt, sondern, wie Aristoteles de animalibus[1] sagt, der Mond hat zur Erde die grösste Verwandtschaft. Indessen empfängt die Erde von der Sonne und wird schwanger mit jährlicher Geburt. Wir finden also in dieser Anordnung eine bewunderungswürdige Harmonie der Welt, und einen zuverlässigen, harmonischen Zusammenhang der Bewegung und Grösse der Bahnen, wie er anderweitig nicht gefunden werden kann. Denn hier kann der eingehende Beobachter bemerken, warum das Vor- und Zurückgehen beim Jupiter grösser erscheint, als beim Saturn, und kleiner, als beim Mars, und wiederum bei der Venus grösser, als beim Merkur; und warum ein solcher Rückgang beim Saturn häufiger erscheint, als beim Jupiter; seltener beim Mars, und bei der Venus, als beim Merkur. Ausserdem warum Saturn, Jupiter und Mars, wenn sie des Abends aufgehen, der Erde näher sind, als bei ihrem Verschwinden und Wieder-sichtbar-werden. Vorzüglich aber scheint Mars, wenn er des Nachts am Himmel steht, an Grösse dem Jupiter gleich zu sein, indem er sich nur durch die röthliche Farbe unterscheidet; bald darauf wird er unter den Sternen zweiter Grösse gefunden, erkannt durch sorgfältige Beobachtung am Sextanten. Und dieses Alles ergiebt sich aus derselben Ursache, welche in der Bewegung der Erde liegt. Dass aber an den Fixsternen nichts von derselben zur Erscheinung kommt, beweist ihre unermessliche Entfernung, welche selbst die Bahn der jährlichen Bewegung oder deren Abbild für unsere Augen verschwinden lässt, weil alles Sichtbare eine gewisse Entfernung als Grenze hat, über welche hinaus es nicht gesehen werden kann, wie das in der Optik bewiesen wird. Dass nämlich zwischen dem höchsten Planeten, dem Saturn, und der Fixsternsphäre noch sehr Vieles liegt, beweist der funkelnde Glanz der Letzteren, durch welche Eigenschaft sie sich von den Planeten am meisten unterscheiden; wie denn zwischen Bewegtem und Unbewegtem der grösste Unterschied bestehen muss. So gross ist in der That diese göttliche, beste und grösste Werkstatt.
Da also so viele und so gewichtige den Planeten entnommene Zeugnisse für die Beweglichkeit der Erde sprechen: so wollen wir nun eben diese Bewegung im Allgemeinen darlegen, insofern durch dieselbe, gleich wie an einer Hypothese, die Erscheinungen nachgewiesen werden. Man muss dieselbe überhaupt als eine dreifache annehmen: die erste, von der wir gesagt haben, dass sie von den Griechen Nychthemerinon genannt wird, ist der eigentliche Kreislauf von Tag und Nacht, der um die Erdaxe von Westen nach Osten ebenso vor sich geht, wie man bisher geglaubt hat, dass die Welt sich im entgegengesetzten Sinne bewege, und welcher Kreislauf den Nachtgleichenkreis (Aequator) beschreibt, den Einige den Taggleichenkreis nennen, indem
Anmerkungen [des Übersetzers]
Nicolaus Copernicus: Nicolaus Coppernicus aus Thorn über die Kreisbewegungen der Weltkörper. Ernst Lambeck, Thorn 1879, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kreisbewegungen-Coppernicus-0.djvu/56&oldid=- (Version vom 1.8.2018)