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Capitel 1.
Ueber die Kreise und ihre Namen.

Aequinoctial-Kreis (Aequator) hat man den grössten aller, um die Pole der täglichen Kreisbewegung beschriebenen, Parallel-Kreise der Erdkugel genannt; Zodiakus (Ekliptik) aber den durch die Mitte der Zeichen beschriebenen Kreis, in welchem der Mittelpunkt der Erde selbst in jährlicher Kreisbewegung fortschreitet. Weil aber der Zodiakus gegen den Aequinoctialkreis schief steht, nach Maassgabe der Neigung der Erdaxe gegen ihn: so beschreibt er vermöge der täglichen Kreisbewegung der Erde auf beiden Seiten zwei ihn berührende Kreise, gleichsam als äusserste Grenzen seiner Schiefe, welche man Tropen (Wendekreise) nennt. Die Sonne scheint nämlich in diesen Kreisen Wenden (τροπάς), d. h. Umkehrungen zu machen, und zwar eine winterliche und eine sommerliche. Daher pflegte man auch denjenigen, welcher nördlich liegt den Sonnenstillstands-(solstitialis) Wendekreis, den andern südlichen den Wendekreis des kürzesten Tages (brumalis) zu nennen, wie es in der übersichtlichen Beschreibung der Kreisbewegungen der Erde weiter oben auseinandergesetzt ist. Hierauf folgt der sogenannte Horizont, den die Lateiner finientem (den Begrenzenden) nennen; indem er nämlich seinen Mittelpunkt auf der Oberfläche der Erde und seinen Pol in unserm Scheitel hat, begrenzt er den für uns sichtbaren Theil der Welt gegen denjenigen, welcher uns verborgen ist, und an welchem Alles das aufzugehen scheint, was untergeht. Weil aber die Erde mit der Unermesslichkeit des Himmels nicht zu vergleichen ist, da sogar nicht einmal der Raum, der zwischen Sonne und Mond liegt, nach unserer Annahme, mit der Grösse des Himmels verglichen werden kann: so scheint der Horizont den Himmel zu halbiren, als ob er durch den Mittelpunkt der Welt ginge, wie wir das im Anfange nachgewiesen haben. Insofern aber der Horizont schief gegen den Aequinoctialkreis steht, berührt auch er zwei Parallelkreise, und zwar einen nördlichen immer sichtbaren, und einen südlichen immer unsichtbaren; jenen nennt Proklus und die Griechen den Arctischen, diesen den Antarctischen; und diese Kreise werden nach Maassgabe der Schiefe des Horizonts oder der Höhe des Poles des Aequinoctialkreises, grösser oder kleiner. Es bleibt noch der Meridian, welcher sowohl durch die Pole des Horizonts, als auch durch die des Aequinoctialkreises geht, und deshalb senkrecht auf beiden Kreisen steht. Wenn die Sonne diesen Kreis erreicht, so bestimmt sie den Mittag und die Mitternacht. Da aber diese beiden Kreise, nämlich der Horizont und der Meridian, ihren Mittelpunkt in der Oberfläche der Erde haben: so folgen sie immer der Bewegung der Erde und unserm Auge. Das Auge hält sich nämlich überall für den Mittelpunkt der Sphäre alles ringsum Sichtbaren. Ferner übertragen auch alle auf der Erde angenommenen Kreise ihre entsprechenden Kreisbilder auf den Himmel, wie das in der Kosmographie bei den Dimensionen der Erde deutlicher nachgewiesen wird. Und zwar haben auch diese Kreise ihre eigenen Namen, wie denn