gehörig getrocknet war, der Keim des Verderbens schon hineingelegt, denn die Farben dunkelten nach und erloschen, da das Bild kaum aus dem Pinsel kam; möchten viele Künstler dieß beachten und ihre Arbeiten nicht so freventlich der Vergänglichkeit hinopfern. Der blonde Knabe, der dort mit seinem Obstkörbchen so still und freundtlich durch die herbstliche Gegend wandert, ist recht einfach, treu und wahr; Hofmann, Schüler de Professor Hartmann, malte ihn nach der Natur. Hr. Thomé, ein anderer Schüler dieses Meisters, giebt uns in einem Orpheus, der auf seine Lyra gelehnt, wehmüthig trauernd über Euridice’s Tod emporblickt, ein recht braves Gemälde von eigner Erfindung; der Kopf ist ausdrucksvoll und das Ganze gewinnt bei öfterer Betrachtung. Ein Fruchtstück nach van Heem gemalt von Moritz Tettelbach, zeichnete sich durch vollendet schöne Ausführung aus.
Dies liebliche Kind, welches dort sein Köpfchen so schalkhaft auf den Tisch lehnt und in die Aermchen schmiegt, giebt uns die frohe Aussicht, daß H.Georgi aus Leipzig, der es malte, einst ein zweiter Vogel in Kinderportraits werden kann. Dagegen sind die in Kreide gezeichneten Copieen der beiden berühmten Christusköpfe, wahre Versündigungen an der Kunst! Bei den vielen Kleinigkeiten, unter denen sich manches Interessante befindet, wollen wir uns jetzt nicht aufhalten, sondern nur einen Blick noch auf das recht brave Brustbild Luthers in Bronze werfen, welches Hr. Seyffarth in Stahl schnitt, und dann gleich in das der Leipziger Akademie und Meißner Schule gehörige Zimmer eilen. Nichts zieht hier die Aufmerksamkeit mehr an und erregt heftigen Streit, als die beiden Oelgemälde des genialen jungen Julius Schnorr.
Sein Streben schließt sich ganz an das der altdeutschen Schule, doch ist es in ihm keine Modethorheit, kein Nachlallen der äußern Form ohne innern Geist, kein Wohlgefallen an eckiger Unbeholfenheit, wie bei so Vielen. Nein, sein Sinn ist rein und tief, sein Herz ist durchdrungen von der süßen kindlichen Innigkeit altdeutscher Kunst, seine Phantasie begeistert von der seltnen Farbenpracht, sein Gemüth ergriffen vom frömmsten Eifer. Er würde so malen, wenn auch kein andrer Mensch sich mit Liebe zur altdeutschen Kunst wendete, er sieht und fühlt die Natur so, und sein Auge ist klar, sein Geist kühn und kräftig. Bei einem solchen Genius wäre es Frevel etwas gegen diese Richtung einwenden zu wollen, so wenig wohl sonst die wunderlichen Rückschritte in der Kunst zu billigen sind: denn es ist nicht gut, das Herrliche zu verschmähen, was Jahrhunderte erwarben, den geweckten Sinn für ächte, reine Schönheit mit Kindermährchen einzulullen, und an alten Formen zu hängen, welche jene ehrwürdigen Meister selbst mißbilligen würden, wenn sie griechische und italienische Meisterwerke hätten studieren können.
Mit Recht empört das übermüthige Verachten des redlich Erworbnen, welches viele solcher altdeutschen Kunstjünger sich erlauben, alle Veteranen, alle Meister; es ist wahrlich auch von dem demüthig frommen Sinn, den sie affektiren, weit entfernt! Aber höchst unbillig wäre es, einen Julius Schnorr zu jener Schaar zu rechnen. Je länger man vor seinen Werken verweilt, desto inniger rührt das lebendige heilige Streben darin, und so sehr auch erfahrne Künstler zürnen, daß gerade er, der eine Zierde jeder Schule seyn würde, sich von der ihren abwendet, einen eignen Weg sich bahnend, so werden doch alle unpartheiischen Kunstfreunde ihm warme Theilnahme schenken und einzig wünschen, daß er seinen reinen Sinn nicht absichtlich für die Vorzüge anderer Schulen verschließen möge. Könnte sein Auge sich für ächt malerische Haltung, für den Zauber des Helldunkels, für die Wirkungen der Luftperspective mehr schärfen, könnte er sich entschließen von der überall gleichen Farbengluth und dem gränzenlosen Fleiß, womit alle Einzelnheiten ausgeführt sind, hier und da etwas aufzuopfern, oder vielmehr nur zu verschleiern, um desto höhere Wirkung und sanftere Harmonie in das Ganze zu bringen, wollte er Raphael und Correggio und den zauberischen Schmelz der Natur selbst hierin studiren, was könnte er dann nicht leisten, welchen allgemeinen Beifall sich erwerben! Man verzeihe diese langen Betrachtungen; dieser junge Künstler ist so bedeutend. Lob und Tadel wurde, beides so laut und heftig über ihn ausgesprochen, daß ein unbefangenes Wort über seine Werke wohl nicht überflüßig ist. Nun noch einen Blick auf die Gemälde selbst. Das kleinere, den Besuch Zacharias und der Elisabeth bei der Madonna mit dem Christkinde und Joseph darstellend, ist wunderlieblich und kindlich fromm. Maria sitzt vor der Hütte, süße Freude glänzt auf der reinen Stirn, und sittsam still neigt sie das Köpfchen und faltet betend die Hände, indem sie auf das zu ihren Füßen auf dem üppig blühenden Rasen liegende eingeschlummerte Kind blickt. Das Köpfchen desselben ist sehr schön, doch die Stellung ein wenig zu verdreht und gesucht. So wäre es auch unstreitig schöner, wenn Maria’s faltenreiches Gewand weniger eckig gelegt wäre. Ganz besonders reizend ist aber der kleine Johannes, den Zacharias auf den Rücken trägt; er entdeckt schon von Weitem das Jesuskind und zeigt mit rührender Kindlichkeit darauf: die andern Gestalten sind einfach und ausdrucksvoll. Eine dichte Rosenhecke und geflochtne Zäune umgeben den Blumenteppich, auf welchem Maria und das Kind sich befinden. Das andere größere Gemälde ist in der Form eines gewölbten Bogenfensters und stellt
Unbekannt: Einige Worte über die diesjährige Dresdner Kunstausstellung im August 1817. F. A. Brockhaus, Leipzig 1817, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leipziger_Kunstblatt_Dresdner_Kunstausstellung_1817.djvu/2&oldid=- (Version vom 21.9.2024)