Einige Worte über die diesjährige Dresdner Kunstausstellung im August 1817
Nicht so reich, wie voriges Jahr, war diesmal unsere Ausstellung, doch gab es des Erfreulichen, Guten und Schönen auch viel; nur das Auffallendste und Merkwürdigste davon sey hier angedeutet. So wie man von der schönen Terrasse hinauf in den heitern Saal trat, drängte sich jedem vergleichenden Beobachter gewiß zuerst die erfreuliche Bemerkung auf, welche auffallenden Fortschritte die Schüler der hiesigen Akademie unter der jetzigen Leitung machen, und wie viel reiner und gediegener der Stvl dieser Schule ist, als er noch vor sechs bis acht Jahren war.
Unter vielen trefflichen Zeichnungen nach Gyps und Akten nach der Natur zeichnen sich die die Schüler der Herrn Professoren Hartmann und Matthäi ganz besonders aus. Aeußerst verdienstvoll für die gründliche Bildung der jungen Leute vom Anfang an, ist der unermüdete Eifer, womit der Herr Professor Seyfert, Lehrer, der Akademie, sie leitet, und ihnen in den Propyläen der Kunst nicht allein zeichnen, sondern künstlerisch sehen, denken und beobachten lehrt. Der Fleiß dieses bescheidnen, wackern Mannes wirkt allseitig hin, und wo sonst die Kunst oft nur hanadwerksmäßig getrieben wurde, bringt er dafür Kunstgeschmack und Sinn in das Handwerk, wie es die Arbeiten der unter seiner Leitung aufblühenden Indnstrieschule beweisen.
Doch wir wollen uns nun von diesen allgemeinen Betrachtungen zu den Gemälden einzeln wenden. Die lieblichen kleinen Landschaften von J. T. E. Faber sind der Natur abgelauscht, der junge Künstler Graff, Sohn des berühmten Portraitmalers, versetzt uns ganz in die Umgebungen von Subiaco, Albano und Rom, und zeigt uns in verschiedenen reizenden kleinen Landschaften, mehrere der interessantesten Standpunkte jener Gegenden. Auch die Landschaften von K. G. T. Faber verdienen genauere Betrachung; sie sind mit Geist und Geschmack ausgeführt. Das Portrait des Künstlers selbst von Wilh. Scheben, Schüler des Professor von Kügelgen, hat Kraft und Wahrheit, aber weniger Zartheit und Anmuth, als man es von einem Schüler dieses Meisters erwarten sollte. Der schöne Amor von Mengs ist von Fr. Milde, Schüler des Professor Rösler, recht brav in Pastell copirt; möchte der talentvolle Jüngling nie seine Zeit an so geschmacklose Originale verschwenden, wie, die Lionerin von Liotard es ist! Die fleißige Künstlerin Therese von Winkel giebt uns wieder mehrere treue Kopieen nach Corregioo, Holbein, Maratti und Kügelgen, die aufs Neue den Wunsch erwecken, daß ihre vielen Arbeiten sich nicht so verstreuen, sondern zu einer Sammlung vereinigt werden möchten. Ausgezeichnet schön sind die Blumen, Früchte und Vögel von August Friedrich, zart und fleißig en gouache ausgeführt und geschmackvoll geordnet, besonders ist ein unter hohen Stauden und Gräsern brütendes Rebhuhn von demselben Künstler trefflich in Oel gemalt. Eine Copie der reizenden heiligen Cäcilie war von L. Klaß recht sehr fleißig und sorgsam gemalt, doch leider durch ein zu schnelles Uebermalen, ehe es [62] gehörig getrocknet war, der Keim des Verderbens schon hineingelegt, denn die Farben dunkelten nach und erloschen, da das Bild kaum aus dem Pinsel kam; möchten viele Künstler dieß beachten und ihre Arbeiten nicht so freventlich der Vergänglichkeit hinopfern. Der blonde Knabe, der dort mit seinem Obstkörbchen so still und freundtlich durch die herbstliche Gegend wandert, ist recht einfach, treu und wahr; Hofmann, Schüler de Professor Hartmann, malte ihn nach der Natur. Hr. Thomé, ein anderer Schüler dieses Meisters, giebt uns in einem Orpheus, der auf seine Lyra gelehnt, wehmüthig trauernd über Euridice’s Tod emporblickt, ein recht braves Gemälde von eigner Erfindung; der Kopf ist ausdrucksvoll und das Ganze gewinnt bei öfterer Betrachtung. Ein Fruchtstück nach van Heem gemalt von Moritz Tettelbach, zeichnete sich durch vollendet schöne Ausführung aus.
Dies liebliche Kind, welches dort sein Köpfchen so schalkhaft auf den Tisch lehnt und in die Aermchen schmiegt, giebt uns die frohe Aussicht, daß H.Georgi aus Leipzig, der es malte, einst ein zweiter Vogel in Kinderportraits werden kann. Dagegen sind die in Kreide gezeichneten Copieen der beiden berühmten Christusköpfe, wahre Versündigungen an der Kunst! Bei den vielen Kleinigkeiten, unter denen sich manches Interessante befindet, wollen wir uns jetzt nicht aufhalten, sondern nur einen Blick noch auf das recht brave Brustbild Luthers in Bronze werfen, welches Hr. Seyffarth in Stahl schnitt, und dann gleich in das der Leipziger Akademie und Meißner Schule gehörige Zimmer eilen. Nichts zieht hier die Aufmerksamkeit mehr an und erregt heftigen Streit, als die beiden Oelgemälde des genialen jungen Julius Schnorr.
Sein Streben schließt sich ganz an das der altdeutschen Schule, doch ist es in ihm keine Modethorheit, kein Nachlallen der äußern Form ohne innern Geist, kein Wohlgefallen an eckiger Unbeholfenheit, wie bei so Vielen. Nein, sein Sinn ist rein und tief, sein Herz ist durchdrungen von der süßen kindlichen Innigkeit altdeutscher Kunst, seine Phantasie begeistert von der seltnen Farbenpracht, sein Gemüth ergriffen vom frömmsten Eifer. Er würde so malen, wenn auch kein andrer Mensch sich mit Liebe zur altdeutschen Kunst wendete, er sieht und fühlt die Natur so, und sein Auge ist klar, sein Geist kühn und kräftig. Bei einem solchen Genius wäre es Frevel etwas gegen diese Richtung einwenden zu wollen, so wenig wohl sonst die wunderlichen Rückschritte in der Kunst zu billigen sind: denn es ist nicht gut, das Herrliche zu verschmähen, was Jahrhunderte erwarben, den geweckten Sinn für ächte, reine Schönheit mit Kindermährchen einzulullen, und an alten Formen zu hängen, welche jene ehrwürdigen Meister selbst mißbilligen würden, wenn sie griechische und italienische Meisterwerke hätten studieren können.
Mit Recht empört das übermüthige Verachten des redlich Erworbnen, welches viele solcher altdeutschen Kunstjünger sich erlauben, alle Veteranen, alle Meister; es ist wahrlich auch von dem demüthig frommen Sinn, den sie affektiren, weit entfernt! Aber höchst unbillig wäre es, einen Julius Schnorr zu jener Schaar zu rechnen. Je länger man vor seinen Werken verweilt, desto inniger rührt das lebendige heilige Streben darin, und so sehr auch erfahrne Künstler zürnen, daß gerade er, der eine Zierde jeder Schule seyn würde, sich von der ihren abwendet, einen eignen Weg sich bahnend, so werden doch alle unpartheiischen Kunstfreunde ihm warme Theilnahme schenken und einzig wünschen, daß er seinen reinen Sinn nicht absichtlich für die Vorzüge anderer Schulen verschließen möge. Könnte sein Auge sich für ächt malerische Haltung, für den Zauber des Helldunkels, für die Wirkungen der Luftperspective mehr schärfen, könnte er sich entschließen von der überall gleichen Farbengluth und dem gränzenlosen Fleiß, womit alle Einzelnheiten ausgeführt sind, hier und da etwas aufzuopfern, oder vielmehr nur zu verschleiern, um desto höhere Wirkung und sanftere Harmonie in das Ganze zu bringen, wollte er Raphael und Correggio und den zauberischen Schmelz der Natur selbst hierin studiren, was könnte er dann nicht leisten, welchen allgemeinen Beifall sich erwerben! Man verzeihe diese langen Betrachtungen; dieser junge Künstler ist so bedeutend. Lob und Tadel wurde, beides so laut und heftig über ihn ausgesprochen, daß ein unbefangenes Wort über seine Werke wohl nicht überflüßig ist. Nun noch einen Blick auf die Gemälde selbst. Das kleinere, den Besuch Zacharias und der Elisabeth bei der Madonna mit dem Christkinde und Joseph darstellend, ist wunderlieblich und kindlich fromm. Maria sitzt vor der Hütte, süße Freude glänzt auf der reinen Stirn, und sittsam still neigt sie das Köpfchen und faltet betend die Hände, indem sie auf das zu ihren Füßen auf dem üppig blühenden Rasen liegende eingeschlummerte Kind blickt. Das Köpfchen desselben ist sehr schön, doch die Stellung ein wenig zu verdreht und gesucht. So wäre es auch unstreitig schöner, wenn Maria’s faltenreiches Gewand weniger eckig gelegt wäre. Ganz besonders reizend ist aber der kleine Johannes, den Zacharias auf den Rücken trägt; er entdeckt schon von Weitem das Jesuskind und zeigt mit rührender Kindlichkeit darauf: die andern Gestalten sind einfach und ausdrucksvoll. Eine dichte Rosenhecke und geflochtne Zäune umgeben den Blumenteppich, auf welchem Maria und das Kind sich befinden. Das andere größere Gemälde ist in der Form eines gewölbten Bogenfensters und stellt [63] den sechsten Kampf der Christen und Heiden nach Ariost’s Schilderung dar.
Die wilde fanatische Kühnheit der Heiden, die heilige Kriegesfreudigkeit der Christen, die Herrlichkeit der sich muthig bäumenden Rosse, die stille ernste Würde des Erzbischoffs und seines Gefolges, das düstere Bild des besiegten Mohrenkönigs und seiner Sklavin, die wolkenlose Klarheit des Orients, die hohe Schönheit der in einfachen stählernen Rüstungen kämpfenden Christenjünglinge, die bunte Pracht der stolzen Heidenritter, alles ist kräftig und lebenvoll dargestellt, herrlich gedacht, richtig gezeichnet und mit liebenden Fleiß ausgeführt. Eine treffliche Federzeichnung davon bewunderten wir schon voriges Jahr, sie fand noch allgemeinen Beifall, weil sich ist ihr die Genialität des Künstlers freier von den Eigenthümlichkeiten der Schule aussprach; doch sind diese hier weniger störend, als bei dem Madonnenbild, nur, etwas ruhigere Haltung, und gespartere Beleuchtung würde dem Ganzen ungemein wohl thun. Die darunter hängenden Landschaften des D. Carus zeugen von einem recht frommen, zarten Natursinn: wo dieser so freundlich waltet und die Poesie so vorherrscht, da entbehrt man gerne die strengere technische Vollendung.
[65] Viel Gutes und Erfreuliches ist hier noch aufgestellt; doch der beschränkte Raum gestattet uns nur noch das sehr gelungne Portrait nach der Natur, vom Hofschauspieler Geyer gemalt, zu erwähnen. Hier ist Wahrheit, Styl und sinnige Kunstfertigkeit, Stellung, Beleuchtung und Farbenton, Alles ist lobenswerth daran. Das Modell des Genius des Todes von Ernst Matthäi ist mild und schön im Geiste des Alterthums gedacht. Die verschiednen im Seitenzimmer befindlichen Modelle von den Schülern des Professors Pettrich machen diesem wackern Lehrer viele Ehre. So sind auch viele der Arbeiten der Meissner Porzellanfabrik ganz ausgezeichnet schön. Unter den architektonischen Zeichnungen sind viele recht brave; doch können diese das grössere Publikum weniger interressiren.[2]
Wir gelangen endlich zum Professorzimmer. Zwei treffliche Portraits in Lebensgröße ziehen uns hier zuerst an und werden durch ihre Zusammenstellung doppelt interessant, da sie fast von gleicher Größe sind und eines das Bild der heitersten Klarheit, so wie das andere das der sanftesten Trauer ist. Das erstere, vom Professor Hartmann gemalt, stellt eine allgemein bekannte, liebenswürdige junge Dame unübertrefflich treu und wahr dar. Sie sitzt in dem einfachen hellgrünen Zimmer neben dem Piano, woraus sie eben gespielt zu haben scheint; über die Melodieen, welche da verhallten, ist sie in heiteres sinnendes Nachdenken versunken: das freundliche Köpfchen, von den kunstlosen braunen Locken umspielt, stützt sich auf den rechten Arm, während der linke nachlässig auf den Schooß sinkt. Das zarte weiße Gewand schmiegt sich im schönsten Faltenwurf an die holde Gestalt; blüthenhell und weiß ist Alles, sogar der weiche seidne Schuh, durch welchen die zarte des Füßchens so fein durchschimmert, ja selbst das Bologneserhündchen, welches so treu unter dem Stuhl hervorlauscht, ist vom seidenweichen, weißen Haar bedeckt; nur der über die Stuhllehne geworfene Shawl ist purpurroth. Die Aufgabe, die der treffliche Künstler bei diesem Bilde löste, war um so schwieriger, da er bei diesen hellen Farben die ganze Gestalt doch im vollsten Lichte darstellte. Kein Schlagschatten, keine abgedämpfte Schattenparthie hebt hier das übrige; Alles ist hell und ungetrübt, selbst der Fußboden ist noch ein lichtes Getäfel, und doch tritt alles in ruhig schöner Haltung lebendig hervor. Das ganze Bild ist Wahrheit und Klarheit. Das vom Professor Rösler gemalte andere Portrait zieht eben so sehr an, und ist von gleicher Vollendung. In tiefer Trauer und altdeutscher Tracht ist hier eine edle Fürstin dargestellt; sanfter Ernst, stille Resignation sprechen nicht allein aus diesen schönen Zügen, sondern aus der Haltung der ganzen Gestalt. Nur an heiliger Stätte konnte ihr Schmerz sich in so milde Fassung lösen; sie steht in einer Hauskappelle und im Hintergrunde sehen wir unter einem halbaufgeschlagnen Vorhang ein Madonnenbild. Die Haltung und Ausführung des ganzen Portraits ist meisterhaft.
Überaus lieblich, reizend mit den blühendsten Farben [66] gemalt und in der höchsten Vollendung ausgeführt ist das vom Professor von Kügelgen gegebene Kniestück. Eine junge Dame sitzt unter einer von Wein umrankten Halle, und hält auf ihren Knieen das mit Eichenkränzen umwundne Schwerdt ihres eben aus dem Kampfe glücklich zurückgekehrten Gemahls. Wie sinnige und sprechend ist dies von kastanienbraunen Locken umwehte Köpfchen, wie schön der zarte weiße Hals! Im reinsten Faltenwurf schließt sich ein Gewand von blauem Sammet an die schlanke Gestalt, mit einer breiten Blonde um die Brust gezieret; die Aussicht in eine freundliche Gegend und auf die Kuppel einer fernen Kirche bildet den Hintergrund. Das Ganze ist zugleich kräftig und zart gehalten. Weniger ansprechend war die Familiengruppe von demselben Meister gemalt; die Idee schien den Meisten zu sentimental, und so schön auch die Ausführung war, so störend blieb doch der Mangel an Harmonie in dem Kostum, da der einfache Reisemantel des Knaben wohl einen guten Hintergrund bildete, aber doch zu sehr mit dem orientalischen Putz der jugendlichen Mutter kontrastirte. Ganz trefflich waren zwei Kniestücke, männliche Portraits, vom Professor Matthäi gemalt, besonders das eine, der ehrwürdige Oberschulrath Campe, war treffend der Natur abgelauscht; dies sinnende, halb gesenkte Greisenhaupt mit der klaren, leuchtenden Stirne, dem sanften und doch seelenkundigen Auge, dem freundlichen Mund, bleibt gewiß jedem unvergeßlich, und wie treu war der schlichte, bequeme hellgraue Rock des lieben Alten, wie natürlich seine ganze Stellung! Noch ein liebliches Portrait war das Brustbild einer jungen Engländerin, von Retzsch recht zart und sprechend ähnlich gemalt, so wie die Gruppe, welche uns der talentvolle Schweigart noch hinterließ, ehe er nach Italien pilgerte, seine Gattin mit seinem Kinde darstellend, recht brav gemalt war, ganz in der Weise der Schule Grassi’s, welche die glühendsten Farben in eine wohlthuende Stimmung zu bringen lehrt. Nun noch wenige Worte über die geringe Anzahl eigner Ideen, die unsere Künstler uns diesmal schenkten. Denn bald der Eitelkeit, bald dem Wunsch des freundlichen Andenkens huldigend, muß ja leider jetzt die Kunst immer nur zum Griffel der Erinnerung Einzelnen dienen, um die nur ihnen merkwürdigen Lieben festzuhalten im wechselvollen Gebiete der Zeit und des Raumes. Wie selten ist sie noch der wundersame Lilienstengel der Religion, der das Höchste und Heiligste, das Erhebendste und Tröstendste vom Himmel der Erde zuweht! Und eben so selten wird sie klarer Spiegel der Geschichte, Zauberstab der Phantasie! Dieser schönere Beruf wird ihr fast niemals mehr auf Erden: als Dienerin, und nicht als Priesterin wollen die Meisten sie anerkennen. – Doch zurück in unser Professorzimmer, wo wir zuerst die vielen trefflichen Arbeiten des wackern Veteranen und berühmten Landschaftsmalers Klengel bewundern; seine große herbstliche Landschaft besonders, eine Erdäpfelerndte vorstellend, war ausgezeichnet schön, voll Leben und Wahrheit; aber auch seine felsige, südliche Landschaft, und seine sechs kleinere, höchst ausgeführten Viehstücke, zeigten den geübten, vielerfahrnen Meister, und die letztern dürfen die Vergleichung mit Roos nicht scheuen. Ein Gemälde in Lebensgröße, Christus am Oelberge vorstellend, den der Engel den Kelch reicht, vom Professor Pochmann, war reche brav; daß es bei diesem geübten Künstler nicht an technischer Practik und kräftiger Farbe fehlen kann, ist anerkannt, aber auch das fühlende Gemüth wurde durch dies Bild recht wohlthuend befriedigt.
Eine Skizze des Professor Hartmann, den Sturz der bösen Geister nach der Offenbarung St. Johannis darstellend, zeigte von wundersam tiefen Studium, und von der ungemeinen Kenntniß der Anatomie dieses, dem Michel Angelo Buonarotti nachstrebenden Künstlers. Man mußte diese Masse so furchtbar übereinanderstürzender Gestalten, die so gedrängt, und doch nicht verworren waren, bewundern; aber es erfreuet nicht Kunst, Fleiß und Phantasie auf einen so schrecklichen, alle Gränzen des Schönen überschreitenden Gegenstand gewendet zu sehen, und dürfen wir eine Bemerkung wagen, so würden wir, wenn dieß nun einmal dargestellt werden sollte, wünschen, in den bösen Geistern alle Begierden und Laster in höchster Charakterkraft bei ursprünglicher Schönheit der Züge, dargestellt zu sehen, so wie in den guten Engeln die reinste höchste Schönheit. Doch wird eine solche Masse von Gliedern nie dem Auge wohl thun, so eine schwierige Kunstaufgabe sie auch ist. Ein kolossaler Johannes, im Brustbilde so dargestellt, wie er in die Sternennacht als heiliger Seher hinausschaut, die Sonnenschrift ferner Weltsysteme niederzuschreiben trachtend, von Moritz Retzsch, war schön gedacht und in einem ernsten, nächtlichen, und dennoch klaren Farbentone sinnig gemalt; doch thut es sehr weh, bei diesem Gemälde sowohl, als bei dem andern kleinen, weit welches die liebliche Idee darstellt, wie Eros einem jungen Mädchen (vielleicht der Psyche selbst) Pfeile schießen und Bogen spannen lehrt, die Bemerkung machen zu müssen, daß dieser überaus geniale und denkende Künstler nicht mehr so streng gegen sich ist in der richtigen Zeichnung und naturgemäßen Wahrheit, wie sonst. Er ist unstreitig der genialste aller Zöglinge unserer Akademie, möge er bald von dem Abwege umkehren, an dessen Rand er eben erst steht, wo er, anstatt in das tiefere Heiligthum der Natur zu dringen, in den Irrgarten der Manier sich verlöre! Möge er diesen wahrhaft wohlgemeinten Wunsch nicht übel nehmen, und seine große Gewandtheit sich nicht verführen lassen zum Verschmähen des ernsten Studiums der Natur!
[67] Seine Ideen sind immer herrlich, voll Sinn und Grazie. Die beiden Landschaften von Friedrich in seinem ihm eigenthümlichen Style, sind anziehend durch ihre stille Schwermuth. Die eine stellt seine Vaterstadt Greifswalde im Mondlicht dar; die andere ist ein ödes flaches Meergestade, in den kräuselnden Wellen spiegelt sich der Vollmond, und gerade in der Mitte stehen zwei einsame Wanderer, die uns den Rücken zuwendend, sinnend in das Gränzenlose hinaus schauen, welches von beiden Seiten in nächtlicher Düsterheit verschwimmt. Es ist unglaublich, wie viel so ein einfaches Bild der Phantasie gerade dadurch giebt, daß es ihr so viel zu denken überläßt; es sind die ungeschriebnen Zeilen, die oft so zauberisch anziehen.
Die Zeichnung des Direktor Schnorr, Petrus und Johannes am Tempel vorstellend, hat wie alle seine Arbeiten recht viel Liebes, Kindliches und Frommes. So sind gleichfalls die Sepiazeichnungen des Professors Seidelmann und seiner geschickten Gattin höchst zart und lieblich. Als eine sehr ungewöhnliche Erscheinung sahen wir ein Gemälde des Hrn. Prof. Schubert, die Cornelia, die ihre Kinder als ihren Schmuck zeigt. Doch der Raum dieser Blätter gestattet uns keine weitere Erörterung über so manches, was dies Zimmer noch enthält, und mit einem freundlichen Bick auf die braven in Sepia gezeichneten Landschaften von Hammer und Richterwollen wir scheiden, dankend für jeden Genuß und hoffend, keinen unserer wohlwollenden Winke gemißdeutet zu sehen.
Die Ausstellung der Kunstwerke in der Kön. Sächs. Akademie der Künste ist gestern geschlossen worden. Es scheint nicht, als ob die hiesige Abendzeitung etwas darüber sagen werde, und da sie nicht gern tadelt, thut sie recht wohl daran; sie würde wenigstens gleich damit anfangen müssen, zu bemerken, daß obgleich die Nummernzahl der ausgestellten Sachen bei Weitem größer als vorm Jahre war, des ächten Guten und Gediegenen sich doch bei Weitem weniger fand, als in der vorjährigen Ausstellung. Ich weiß nicht, wem die Schuld deshalb beizumessen sey, verkenne auch nicht, daß allerdings jene Ausstellung erst nach einem Zeitraume von 2 Jahren eintrat; aber mehrers Intereressante, besonders in historischer Hinsicht, hätte ich doch auch auf der gegenwärtigen erwartet. Es wollte einmal früher im Publiko, und irre ich mich nicht, auch in Nachrichten aus Dresden im Morgenblatte verlauten, daß eine Preisbewerbung bei der Akademie werde eröffnet werden, und dieß wäre gewiß eins der vorzüglichsten Mittel gewesen, interessante und Beschauenswerthe Werke zu erhalten; aber es ist alles wieder davon still geworden. Denoch sind solche Preisvertheilungen nicht nur bey allen andern Kunstakademieen eingeführt, sondern dürften auch hier, wo wahrlich recht wackere Tatente zu finden sind, die sich nur zu häufig in Kleinigkeiten, oder in ledigen Portraits erschöpfen, recht zweckmäßig und von guter Ausbeute seyn. Nun, es ist zu hoffen, daß die dießjährige Erfahrung dahin führen wird. Es bedarf ja keines allzugroßen Fonds dazu; der sächsische Künstler ist genügsam, liebend nur seiner Kunst höhere Ausbildung, und am Ende könnte ja immer das gekrönte Werk nach der Ausstellung, auf der es nothwendig prangen muß, dem Künstler zurückgegeben werden, als sein Eigenthum.
Vor Allem war ein großer Mangel an historischen Gemälden eigner Erfindung fühlbar, statt daß im vorigen Jahre eben darin sehr glücklich gewirkt worden war. In diesem Fache sind nur folgende anzuführen. Der Sturz der bösen Geister, Skizze nach der Offenbarung Johannis, in Oel gemalt vom Prof. Hartmann, mit Michelangelo’scher Kühnheit und Richtigkeit und wieder hoher Klarheit in der Parthie der guten Engel, aber durch seine eigne Kekheit eben für die Menge nicht ansprechend. Christus am Oelberge, Oelgemälde von Prof. Pochmann: natürliche Größe, einfach gute Farbengebung, wenig Idealisches im Engel, dagegen besonders gute Drappirung in der wohl zu jugendlichen Figur des Heilands, Studium unverkennbar. Eine bunt getuschte Zeichnung, Petrus und Johannes am Tempel vorstellend, vom Direktor Schnorr in Leipzig, in seiner beliebten Manier mit gutem Ausdruck, doch weniger glücklich in der Composition, welche zu stufenförmig wurde durch das gewählte Local. Amor, welcher eine junge Nymphe im Bogenschießen unterrichtet, kleines Oelgemälde von Moritz Retzsch, Mitglied der Akademie, in Hinsicht der Zeichnung gewaltig incorrekt, buntes Colorit, geringer Fleiß in Handhabung des Pinsels. St. Johannes von demselben, Nachtstück, mit sonderbar greller Beleuchtung, blaue Färbung, Augengestaltung, wie sie nicht die Natur giebt. Möge dieser junge Künstler, welcher so große Anlagen besitzt, zum Studio der guten Meister zurückkehren, und nicht blos seinen eignen Ideen über die Kunst folgen, dann wird er die diesjährigen, vernachläßigten Arbeiten bald durch treffliche vergessen machen. Die Mutter der Gracchen, welche einer vornehmen Römerin ihre Kinder mit dem bekannten Spruche vorstellt, kleine Skizze in Oel, vom Prof. Schubert. Man hatte lange nichts von der Hand dieses Künstlers gesehen, und erwartete daher jetzt um so mehr, dies mag wohl hauptsächlich mit auf die nachtheiligen Urtheile eingewirkt haben, welche allgemein über diese der Porzellanmalerei sich nähernde Arbeit gefällt wurden. Fleiß war daran nicht zu verkennen, aber er hatte erkältend gewirkt. Das Fußwerk der vornehmen Römerin war offenbar etwas verrenkt, und wie sich [68] das Kind auf den Schultern Cornelia’s halten wollte nicht zu begreifen, auch paßten die Heldenbeine des ältesten Knaben nicht zu dem kleinen Kopfe desselben.
[74] Julius Schnorr hatte zwei historische Stücke, in Oel gemalt, gegeben, den Sechskampf der Christen und Heiden, nach Ariost, von dem schon vorm Jahre die Zeichnung ausgestellt war, und den Besuch des Zacharias und der Elisabeth bei der Madonna mit dem Christkind und Joseph. Ueber beide läßt sich recht viel Gutes sagen, und beide bezeichnen ein Talent, das in einer guten Unterweisung auferzogen, sich nun in eignen Schöpfungen ergeht. Daß da nach der heutigen Tendenz leicht etwas von der Manier der vorraphaelischen Schule mit unterläuft, und der späteren Muster gediegene Freiheit nicht selten unbeachtet bleibt, weil man glaubt, es sey kindlicher, frömmer, in jene lineare Beschränktheit und allegorisirende Weise sich zu versenken, ist man nun einmal jetzt gewohnt, und es erwächst vielleicht nur aus einigen neuerdings ausgesprochnen, goldnen Worten Göthe’s etwas Hoffnung zur Besserung. Diesen Tadel finde ich besonders beim zweiten Gemälde anwendbar, glaube aber doch, daß man sich eines solchen jungen Künstlers herzlich freuen, und ihm und der Kunst Glück zu seiner Wanderung nach Rom wünschen müsse, wo der wahre Geist ihm schon die Weihe geben wird. Eine solche möge auch der recht talentvolle Tischbein erhalten, der in einer Madonna recht gute Einzelnheiten gezeigt hat, und mehr noch, als Schnorr, sich hinneigt zu einer Vorschule, welche spätere Kunstheroen siegreich bei weitem überschritten haben.
Noch ist von Ludw. Ferdinand Schnorr eine recht artige Federzeichnung, Götz von Berlichingen darstellend, als eigne Erfindung ausgestellt, die auch diesem Sprößling der lieben Künstlerfamilie Lob erwerben muß; und endlich dürfte wohl des Prof. Seidelmanns Madonna mit dem Kinde, trefflich in Sepia getuscht, mehr eigne Arbeit und eignes Verdienst, als nach Mengs geschaffen, hieher zu rechnen, und zur Ungebühr von mir an den letzten Ort gestellt seyn.
Und so bemerke ich doch jetzt erst, da ich namentlich aufführe, daß die dießjährige Ausstellung nicht so arm an historischen Werken eigner Erfindung ist, als ich anfangs wähnte, und finde auch dadurch meine Idee bestätigt, daß nur mit einiger Aufmunterung für die dichtenden Maler oder Zeichner bald recht sehr viel Gutes ins Daseyn gerufen werden könnte.
In der Landschaftlichen Schöpfung errang auch dieses Mal, wie gewöhnlich, der erfreulich thätige Veteran Prof. Klengel, den Preis, ein wahres Vorbild, daß die Kunst nie altert, und dem, der ihr recht treu anhängt, die letzten Lebenstage eben so schmückt, wie die Jünglingsstunden. Neun größere und kleinere Landschaften von eigner Erfindung gab der liebe Künstler, und wenn ich unter ihnen, welche sämmtlich seinem wohlerworbenen Ruhme angemessen waren, nun einmal eine als die vorzüglichste nennen sollte, so würde ich die herbstliche der Erdäpfelerndte auswählen, welche an Wahrheit und Klarheit trefflich ist. Seine Schüler, Karl G. Traugott, und Joh. Theod. Euseb. Faber haben auch manches Gute geliefert, besonders der erste eine brave Fischerei. Unter den Dilettanten dürfte wohl selten ein so genialer Meister aufgefunden werden, als ein D. Carus, welcher durch zwey große und drei kleinere Landschaften den schon bei der vorigen Ausstellung erworbnen Ruhm nur noch immer mehr erhöht hat. Die zwei größern sind Theile eines biblisch landschaftlichen Cyclus, und stellen die [75] landschaftlichen Umgebungen der Versuchung in der Wüste, und Christus am Oelberge – wären die Figuren selbst nur nicht so mißrathen – mit reger Phantasie und in guter Praktik dar. Unter den kleinern zeichnen sich die Heimkehr aus der Kapelle und Mondes-Aufgang aus. Hindern die bürgerlichen Verhältnisse einen so durchaus wackern Dilettanten, Mitglied einer Akademie zu seyn, so sollte er wenigstens Ehrenmitglied derselben werden. Früher schon hätte ich von Friedrich, Mitglied der Akademie, sprechen sollen, welcher zwei Landschaften im Mondschein in seiner beliebten, genialen Manier gegeben hat. Die eine stellt eine Gegend von einer Stadt vor, wo Fischernetze aufgehangen sind, die andere die Meeresküste mit dem Anblick aufs Meer; zwei Männer schauen hinaus in die Wogen, man steht sie im Rücken. Tiefe Ruhe, fast schauerliche Stille herrscht in beiden, und versetzt das Gemüth in ernste Stimmung. Weniger zufrieden, als wohl sonst, mußte man dieses Mal mit den Arbeiten von C. Graff seyn. Seine Ansichten von italienischen Gegenden, sowohl in Oel, als en gouache, hatten sämmtlich, besonders aber die letztern, etwas Hartes, das wenigstens in dieser Maase ihnen sonst nicht eigen war, und ich halte es für Pflicht, den wackern, fleissgen Künstler darauf aufmerksam zu machen.
Doch der Anblick italienischer Landschaften, welche den Stempel des Ideellen schon in sich selbst tragen, hat mich unwillkührlich zu der Kunst, welche die Natur, oder bereits gegebene Kunstwerke nachahmt, hinübergeführt, ob dieser Uebergang gleich füglicher durch die, wenn auch nicht wundervollen, doch wunderbaren Arbeiten des Herrn Ritter von Brenna, welche wieder in ihrer grün und gelben Herrlichkeit reichlich aufgestellt waren, zu machen gewesen wäre, und da darf ich bei den Landschaften nach der Natur durchaus nicht vergessen zuerst dir höchstanmuthige Ansicht von Töplitz, von Hammer, Mitglied der Akademie anführen, dle ungemein wahr, zart und duftig gearbeitet ist. Auch des Prof. Richter Ruinen der Kirche zu Allerheiligen, ebenfalls Sepiazeichnung, wie die vorige, ist zu loben.
Nun zu den Portraits. Hier bin ich zweifelhaft, welchem unter zweien ich die Palme darreichen soll; der im höchsten Licht gehaltenen, und doch treflich gerundeten tizianischen Gestalt einer jungen Dame in Lebensgröße, von Prof. Hartmann, oder dem männlichen Brustbilde vom Prof. Matthäi, welches mit kräftigem Pinsel in ergreifender Wahrheit und gewinnender Einfachheit gearbeitet ist. Besticht mich bei dem einem die Lieblichkeit, so ergreift mich bei dem andern der milde Greisenernst. Erblicke ich in jenem die liebenswürdige Tochter eines hiesigen, sehr geachteten Künstlers, so stellt mir dagegen das andere den allgemein geliebten Campe zu Braunschweig dar, und der Grazie des einen steht die Milde des andern, dem glänzenden Colorit von jenem, die einfache Ruhe von diesem gegenüber. Kurz, beide Meister haben etwas sehr Vorzügliches geliefert. Es war auch von jedem derselben noch ein andres braves Portrait zu bemerken. Dicht an sie reiht sich der Prof. Rösler, mit dem Portrait einer schwarzgekleideten Dame in Lebensgröße. Es erinnert sehr an Vandyk in vielen ungemein gelungenen Parthieen, und um wahrer Kunst hat er das schwarze Gewand gehoben; auch die Carnation des Kopfes hat sehr viel Ruhiges und Gutes. Die Idee, die Trauernde von dem Betstühle vortreten zu lassen, ist sehr brav. Don den beiden verdienstvollen Gemälden des Prof. v. Kügelgen will mir die Anordnung in dem größern, eine Mutter mit zwey Kindern, nicht recht gefallen, da besonders die Costümes der Mutter und des Knaben so sehr abstechend gewählt sind, so viel Braves das Gemälde übrigens auch hat; dagegen verweilte ich sehr gern und mit innigem Wohlgefallen bei dem kleinern Gemälde, ebenfalls einem reizenden weiblichen Portrait, welches im Colorit ungemein schön ausgeführt, und in seiner milden Sehnsucht recht idealisch gehalten ist. Aus der Grassischen Schule bemerkte ich das Portrait einer Mutter mit ihrem Kinde, vom Unterinspector Schweigart, das besonders im Kinderköpfchen, und in den Augenparthieen der Mutter verdienstlich gearbeitet ist. Ein weibliches Portrait von Retzsch war etwas grau gehalten, jedoch nicht ohne Zeichen von Talent.
Außerdem gab es noch eine gewaltige Menge von treuen Abschriften der Nasen, Augen, Lippen, Wangen und Stirnen ehrlicher Leute beiderlei Geschlechts, die für die Angehörigen reche angenehm und ergötzlich seyn mochten, aus dem Gesichtspunkte der Kunst aber betrachtet, wenig Beachtenswerthes darboten.
Unter den Copisten zeichneten sich die Arbeiten des Fräuleins Therese von Winkel, besonders die heilige Nacht nach Carlo Maratti, und die Madonna mit dem Jesuskinde nach Holbein, jedoch mit Weglassung des ehrlichen Bürgermeisters und seiner Familie aus. Amor in Pastell nach Mengs, und die kleine Lionerin nach Liotard, eben so gemalt, von Milde, war auch recht gut gerathen.
Blumen und Bruchstücke lieferten nicht ohne Verdienste Friedrich und Therese Richter, auch zeigte der erstere im brütenden Rebhuhn gute Anlagen zur Thiermahlerei.
Unter den Kupferstechern für historische Gegenstände kann man nur Gottschick erwähnen, welcher einen Johannes den Täufer nach Grassi gestochen hat. Alles andre dieser Are war zu sehr Anfänger-Arbeit. Im landschaftlichen Fache dagegen zeigten Veiths kleine Landschaften, Umgebungen von Frankfurt am [76] Mayn, Ruinen bei Rom und Gegenden ohnweit Dresden darstellend, von dem ausgezeichneten Grabstichel dieses braven Künstlers, dem in sorgsamer Ausführung und wahrhaft malerischer Haltung nur wenige gleich kommen werden. Neben ihm ist der Prof. Darnstedt mit seiner fleissigen und wackern Ansicht der Domkirche zu Kölln, nach Quaglio, zu nennen, auch die Professoren Günther und Richter sind nicht zu vergessen.
Die Sculptur hatte gar nichts geliefert. In Gyps und Thon war beachtenswerth ein Genius des Todes, als Modell einer Statue für ein Grabmal von Ernst Matthäi; die Büste Luthers vom Bildhauer Kühn, und einige Arbeiten von den Söhnen des Prof. und Bildhauers Pettrich. Zuletzt sah man noch eine gut gerathene Copie des Laokoons vom Inspektor Matthäi.
Vier geschnittene Steine vom ältern Tettelbach waren sehr lobenswerth; die des jüngern Tettelbach zeigten manches Gute. Auch Dr. Martin Luther in Bronze vom Gürtler-Meister Seyffarth verdiente Aufmerksamkeit, so wie derselbe, in Stahl gravirt von Krüger.
Auf die Architektur verstehe ich mich nicht, doch sollte ich meynen, es sey in mehr als 50 Nummern, viel Gutes und Brauchbares dafür geliefert worden.
Recht interessant war es mir, die Arbeiten der jetzt bei der Kunstakademie bestehenden Industrieschule zu betrachten, und mit vielem Vergnügen einen zweckmässigen Unterricht dabei sowohl, als ein sehr merkbares Vorschreiten zu bemerken. Der Nutzen, welchen ein solches Institut für Gewerbe bringt, ist sehr groß, und diese Anstalt deshalb höchst lobenswerth. Auch in der Kunstschule bei der Akademie, die ebenfalls in einem besondern Zimmer ihre Arbeiten ausgestellt hatte, war reges Streben unter guter Leitung nicht zu verkennen. Dagegen schien die Meißner-Zeichenschule nicht gleichen Schrittes vorwärts zu gehen. Die Leipziger Kunstakademie hat manches Gute geliefert, besonders nenne ich als recht fähige Schüler derselben, die Söhne des Baumeister Siegel, Seifert, Brauer. Mit Vergnügen bemerkt man auch mehrere junge Männer, die sich wissenschaftlichen Studien in Leipzig widmen.
Noch gab es Arbeiten von Schülern der Freimaurer-Anstalt, katholischen und Neustädter Armenschule, von denen mir besonders die nettgeschriebenen Vorschriften am zweckmässigsten als Beweis der Fortschritte und des Fleisses dieser jungen Leute geschienen haben.
Gern hätte ich gesehen, daß, so wie Servietten aus der Exnerischen und Prölßischen Damastfabrik ausgestellt waren, noch andre Produkte sächsischen Kunstfleisses dargelegt worden wären. Ich meine damit, des Kunstfleisses von Privatunternehmungen, denn von öffentlichen war noch eine recht wackere und reiche Schaustellung aus der Königl. Porzellan-Manufaktur zu Meißen, welche besonders in den Formen seit einigen Jahren ungemein vorgeschritten ist, vorhanden.
Ich kann nicht schliessen, ohne der Direction der Akademie noch meinen besondern Dank für die Anordnung abzustatten, daß die Ausstellungen jetzt in den Sommermonaten gehalten werden. Der Sonnenschein begünstigt das Beschauen, die schöne Terasse führt täglich eine Menge Fremder und Einheimischer in diese Kunstsäle, und wenn ich von meinem Landgütchen zur Stadt kam, so versäumte ich nie, mir den Genug zu gewähren, so unter heitern Schöpfungen der Kunst zugleich die reizende Natur jeder Art mit zu betrachten, die mich umgab. Man sollte für den ganzen Sommer gegen ein kleines Eintrittsgeld zu milden Zwecken, eben so den Doublettensaal öffnen. ES würde viel Geld einkommen, und vieler Dank dazu.
- ↑ Da zwei geachtete Kunstkenner uns ihre Ansichten über diesen der vaterländischen Kungeschichte angehörigen Gegenstand für diese Zeitung mitgetheilt haben, so wird nächstens eine zweite Schilderung dieser Kunstausstellung folgen.
- ↑ Viele Brustbilder Luthers waren hier, wie sie dies Jahr überall sind. Auffallend ist ihre Verschiedenheit selbst im Charakter.