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„Unsinn’ger kühner Jüngling, sage,
Warum kommst du hierher zu mir,
Mich aus dem Schlummer aufzustören,
Mein Leid erneuernd für und für?

Sahst je du nach des Gatten Tode
Die, der er lieb und teuer war,
In prächtigen Gewändern prangen,
Mit goldnem Schmuck um Haupt und Haar?

Wozu soll ich mich jetzt denn schmücken
Und wessen Blick soll ich erfreun,
Da mir so viele nun ganz fremde,
So viele meine Nähe scheu’n?

O einst in schon entlegnen Zeiten
War ich geschmückt wie eine Braut
Mit allen Reizen holder Jugend,
Hell war mein Wellenspiel und laut.

Beständig meine Wogen rollten,
Wie Silber war mein Spiegel rein
Und klar lag bis zur Morgenröte
Auf ihr des Morgensternes Schein.

Empfohlene Zitierweise:
Arthur Leist: Litterarische Skizzen. Wilhelm Friedrich, Leipzig [1886], Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:LeistLitterarischeSkizzen.pdf/40&oldid=- (Version vom 1.8.2018)