Frauenumgebung, deren entschiedener Abneigung gegen diese Dichtung so unbeugsam widerstanden hatte, als sie weitgreifende Dichterpläne auf das Maß des Conventionellen zurückführen wollte? ob dieser unabhängige Geist auf seinen Eroberungszügen vor der Beglückungsschranke eines für ihn vielleicht auch nur ethisch Conventionellen – man erlaube den Ausdruck – befriedigt stille gestanden wäre? ob er endlich vielleicht unter den Einwirkungen jenes, durch eine liebreich bewältigende Persönlichkeit verstärkten Frauenkreises zu dem erwähnten Umgusse seiner Schöpfung oder gar zu dem glänzenden Fallenlassen des perhorrescirten Stoffes veranlaßt worden wäre? – diese Fragen sind durch die finstern Schicksalslose unseres Freundes zu unlösbar geworden, wenn gleich deren Anregung keine ganz müßige seyn dürfte. Jedenfalls aber läßt sich mit Sicherheit annehmen, daß Lenau in den letzten Augenblicken seines lichten Daseyns über Beibehaltung oder Abänderung des Schlusses seiner Dichtung mit sich selbst noch nicht völlig ins Reine gekommen war. Mag immerhin in dieser Beziehung der vorfindige Gedichtschluß als ein, vielleicht nur „provisorisches Nothdach“ gelten, so wird doch das cyklopische Mauerwerk seines mächtigen Unterbaues, als Zeuge einer gewaltigen
Nicolaus Lenau: Nicolaus Lenau's dichterischer Nachlaß. J. G. Cotta, Stuttgart und Augsburg 1858, Seite VIII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lenau_-_dichterischer_Nachlass,_1858.djvu/12&oldid=- (Version vom 26.11.2022)