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vierzehn jahren zur anzeige zu bringen. Ein jahr solcher statistik würde den stumpfsinnigen ruf, daß das kind in die familie gehöre, bald zum schweigen bringen. Es gibt keine gefahren der straße. Die steht unter dem schutz der öffentlichkeit. Es gibt nur eine gefahr der familie.

Es werden wohl noch jahre vergehen, bis unsere gesetzmacher so weit sein werden, das einzusehen. Gegenwärtig urteilt man so: Es gibt keine not und kein elend, es gibt keine laster und keine ausschweifungen, wenn sie hübsch zwischen den vier wänden bleiben. Und auf diesen geist ist auch der paragraph im preßgesetzentwurf zurückzuführen, nach dem nur solchen personen der straßenvertrieb der zeitungen gestattet ist, die das achtzehnte lebensjahr überschritten haben.

Kindern wird es ja nicht verboten, geld zu verdienen. Beileibe nicht. Aber sie sollen das nicht auf der straße tun. Nur hübsch zu hause hocken. Im schoße der familie. Da können sie von staats wegen die ganze nacht papiersäcke kleben oder zahnstocher schneiden, während sich der schlafbursche mit dem schlafmädel vergnügt.

Aber die straße ist voll gefahren.

In Amerika denkt man anders. Man würde es als eine vergeudung der volkskraft und des nationalvermögens empfinden, wenn man junge, starke burschen, die lasten tragen können, mit den blättchen in der hand die straßen auf und ab laufen sehen würde. Wir österreicher sind ja reich. Wir habens ja. Wir können uns das leisten. Aber die amerikaner sind sparsam. Sie verwenden ihre jugend dazu. Und damit die knaben, die sich schon so frühzeitig auf eigene füße gestellt haben, nicht ausbeutern in die hände fallen, errichten die stadt oder ein zeitungsmillionär asyle für die zeitungsjungen, in denen sie sich für

Empfohlene Zitierweise:
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 224. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/223&oldid=- (Version vom 1.8.2018)