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HANDS OFF!
(1917)

Glaubt mir, ich war auch einmal jung. So jung wie die mitglieder des deutschen werkbundes, des österreichischen werkbundes, des usw. usw. Auch mir gefielen, als ich noch ein knabe war, die schönen ornamente, die unsern hausrat bedeckten, auch ich berauschte mich an dem worte „kunstgewerbe“ – so hieß damals, was wir gestern „angewandte kunst“ nannten und heute „werkkunst“ nennen –, auch mich befiel eine tiefe traurigkeit, wenn ich meinen leib bis zu den füßen hinab besah und an meinem rocke, meiner weste, meiner hose und meinen schuhen so gar nichts von kunst, gewerbekunst, angewandter kunst, also kunst überhaupt, entdecken konnte.

Aber ich wurde älter und in meinen jünglingsjahren fiel mir dann doch auf, daß in früheren zeiten der rock sich mit dem schranke im einklang befunden hatte. Damals hatten beide ornamente, beide wiesen dieselbe kunstübung auf, und so blieb mir nur übrig, darüber nachzudenken, wer recht habe, der heutige, ornamentlose rock oder der heutige schrank mit seinen altherkömmlichen ornamenten des renaissance-, rokoko-, empirestils. Darüber waren wir uns einig, daß sowohl der rock wie der schrank dem geiste unserer zeit entsprechen sollten. Ich und die andern. Aber ich gab den träumen meiner knabenjahre den abschied, die andern blieben ihnen treu. Und von da an stimmten wir nicht mehr zusammen. Ich entschied mich für den rock. Ich sagte, daß er recht habe. Ich fand, daß er, und nicht der schrank, im geiste unserer zeit geschaffen sei. Er hatte keine

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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 342. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/344&oldid=- (Version vom 1.8.2018)