Seite:Loos Sämtliche Schriften.pdf/38

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gebracht, in stein gravierte römische majuskeln auf bretter zu bringen, welcher schöne effekt noch dazu durch die kunst des anstreichers hervorgebracht wird. Also imitation zur zweiten potenz! Und die wiener sind leider schon glücklioh so weit, nicht einmal das einfache talmi gelten zu lassen. Architekt Plečnik[H 1] aber, dem der wiener gewerbeverein gelegenheit geboten hat, sein außerordentliches können zu zeigen, wofür dem verein der dank aller modern denkenden gebührt, hat sich seiner aufgabe in ungewohnter weise entledigt. Ein hauch der vornehmheit geht durch diese exposition, der leider nicht auf die rechnung aller ausgestellten gegenstände zu setzen ist; dazu sind diese zu ungleichwertig. Die einzelnen kojen sind mit dunkelgrünem samt umrahmt, auf dem ein aus pappe ausgeschnittenes und mit lichtgrüner seide überzogenes ornament angebracht ist, das durch silberne scheiben und durch silberne buchstaben außerordentlich gehoben wird. Darüber spannt sich ein weißes velum mit einem mattvioletten ornament, das die velumdekoration zum erstenmal in Wien befriedigend löst. Reiche posamentriearbeiten bergen die glühlampen. Ein reizender und eigenartiger effekt. Dazu ein roter teppich. Man beobachte nur das publikum, mit welcher andacht es durch diese räume geht. Sogar der fußabstreifer wird eifrig benützt.

Anmerkungen (H)

  1. [451] Josef Plečnik (1872–1957), schüler Otto Wagners, bis 1911 in Wien, baute hier 1903–05 das noch bestehende sogenannte Zacherl-haus auf dem bauernmarkt, ein hauptwerk des jugendstils in Wien.
Empfohlene Zitierweise:
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/38&oldid=- (Version vom 1.8.2018)