als modern gilt. Das hätte zur folge, daß der export sich heben und der import zurückgehen würde. Schließlich wäre es auch kein unglück, wenn jedermann, bis in die kleinste provinzstadt, einen eben so vornehmen hut trüge wie der wiener aristokrat. Die zeit der kleiderordnungen ist ja vorüber. So aber bedeuten manche beschlüsse dieses vereines eine direkte schädigung unserer hutindustrie. Der zylinder wird gegenwärtig etwas niedriger als in der letzten saison getragen. Der verein aber beschloß für den zylinder des kommenden winters eine abermalige erhöhung. Und die folge davon? Die englischen hutmacher bereiten sich schon jetzt auf einen außergewöhnlichen massenexport von seidenhüten für den österreichischen markt vor, da der moderne zylinder im nächsten winter nicht bei den wiener hutmachern zu haben sein wird.
Auch nach anderer richtung könnte sich die tätigkeit des vereines segensreich gestalten. Unser österreichischer nationalhut, der lodenhut, beginnt die reise um den erdkreis anzutreten. In England ist er schon. Der prinz von Wales hat ihn bei seinen jagdausflügen in Österreich kennen und schätzen gelernt und in seine heimat mitgenommen. Hier hat der lodenhut sich nun die englische gesellschaft, herren sowohl wie damen, erobert. Fürwahr ein heikler zeitpunkt, zumal für die lodenhutindustrie. Es fragt sich nämlich, wer der englischen gesellschaft die lodenhüte machen soll. Gewiß die österreicher, und zwar so lange, als die österreicher jene formen erzeugen, welche die englische gesellschaft will. Dazu gehört aber eine unendliche feinfühligkeit, eine genaue kenntnis der gesellschaft, empfindung für vornehmheit und eine feine witterung für das kommende. Durch den brutalen majoritätsbeschluß
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/80&oldid=- (Version vom 1.8.2018)