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neunerlei Essen auf den Tisch, und zwar in einer Christnacht, und setzten sich um denselben herum, da denn ihre künftigen Liebhaber erscheinen sollten. Und siehe, solches geschah auch, aber jeder der Liebhaber hielt ein Messer in der Hand gezückt, darüber die Jungfrauen solche Furcht ankam, daß sie schreiend von dannen eilten. Einer der Liebhaber warf sogar den Fliehenden das Messer nach, und eine Jungfrau kehrte sich um, sah ihn an, und hob das Messer auf. Diese bekam hernach den Mann in der That zum Liebsten. Bisweilen ist aber solcher Zauber gar übel abgelaufen, und ist statt eines künftigen Liebsten der kalte Buhle Tod eingetreten, hat sein Stundenglas vor die eine oder die andere der Jungfräulein hingesetzt, und sie zu seinem schaurigen Reigen abgeholt.

Manche namen auch neunerlei Holz am Christabend, zündeten es an, zogen sich aus bis aufs Hemde, und dieses dazu, warfen das Hemde vor die Stubenthür, setzten sich um das Feuer und sprachen:

Hier sitz’ ich splitter-faßernackt und blos;
Wenn doch mein Liebster käme
Und würfe mir mein Hemde in den Schooß!

Da kam nun bisweilen die entrückte Gestalt des Liebhabers, warf das Hemde herein, und wurde später der Sponse selben Mägdleins. Auch dieser Zauber gerieth nicht immer. Einst übten ihn viele manntolle Mägde zugleich, da kamen die Liebhaber zu Hauf vor die Thüre, erhoben draußen gräßlichen Lärm, rissen sich um die Hemden, und rissen sie kurz und klein – und keine von allen hat hernach einen Mann bekommen.

Ein hoher bewaldeter Berg nächst der Coburger Feste, der Bausenberg, war Tummelplatz der zahlreichen Hexen;

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/23&oldid=- (Version vom 1.8.2018)