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136.
Die Teufelsmahten.

Vom alten Schlosse Liebenstein geht auch noch diese Sage, die mythischen Kreisen wieder zuleitet: Ein Herr von Stein, der droben in dem Steinnest wohnte, war etwas rauh und wild geartet, und schloß, da er sich vor dem Teufel nicht fürchtete, einen Pakt mit dem Teufel, daß der ihm dienen mußte so und so lange, und sann auf nichts, als den Teufel zu schinden und zu plagen, daß selbiger schier aus der Haut fahren mochte. So gab der Ritter von Stein einmal dem Teufel auf, auf dem großen Acker-Felde, das sich ostwärts der Burg weit ausbreitet, in einem Tage alles Getreide zu mähen, das hundert Schnitter in drei Tagen nicht vollbracht hätten. Nun stand es so um den Pakt, daß, wenn der Teufel nicht that, was der Ritter wollte, sofern es Erdenarbeit war, der Pakt null und nichtig wurde, daher that der Teufel ein Uebriges, ließ sich von seinem guten Freunde Tod die Sense borgen und fing an auf Teufelsmanier zu mähen, nämlich bald rechts, bald links, mächtige Mahten, und schlug alles nieder, worauf er aber des Ritters Dienst so satt bekam, daß er ihm aufsagte, denn er war von solcher Arbeit so schachmatt geworden, daß er sich kaum noch regen konnte. Damals soll er, wie ein schönes Märlein erzählt, sich in die Einsamkeit zurückgezogen und den Branntwein, das gebrannte Teufelswasser, zu seiner eigenen Stärkung erfunden haben.

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 263. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/271&oldid=- (Version vom 1.8.2018)