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Erde schloß sich über ihm und allen seinen Insassen. Nun aber hatte das Wünschelfräulein seinen letzten Wunsch noch zu thun, aber, statt sich die ewige Seligkeit zu wünschen, wünschte es nur von Zeit zu Zeit herauf an’s Tageslicht zu kommen, um zu sehen, wie es da oben auf der Erde beschaffen sei, und sich dabei auch ein wenig sehen zu lassen. Viele sagen, die Gräfin dürfe dann auch mit herauf, und sich dann ihr Haar in der Sonne strählen lassen, müsse aber mäuschenstille dabei sein und dürfe nimmermehr wieder zanken. Das sei ihre Strafe, weil sie beim Erdenleben zu viel gezankt.

In einem Keller zu Brotterode, und zwar in dem des alten Gemeindewirthshauses, hat sich ein Geist in Gestalt einer Flitterbraut gezeigt, und in der Küche eine Brautzüchterin (anderorts Kränzlerin, Brautjungfer). Die Letztere griff immer ängstlich und hastig nach einer kleinen Lücke in der Wand, bis ein Mann gewahrte, daß aus der Oeffnung einige Fädchen heraushingen. Er faßte sie, zog daran, und es folgte ein altermorsches Beutelchen von Leinwand, das nur ein paar alte schimmelige Silbergröschlein enthielt. Damit war die Züchterin erlöst. Die andere, die Flitterbraut, fand später ebenfalls ihre Erlösung. Sie war Hütherin eines Schatzes, der dadurch glücklich gehoben wurde, daß sie der Tochter des Hauses erschien, und daß diese sie anredete, weil sie glaubte, es sei eine Freundin, die an diesem Tage just Hochzeit hatte, und deren Hochzeit im Wirthshause ausgerichtet wurde. Der Schatz wurde gehoben, der Wirth wurde zum reichen Manne, aber die Tochter begann zu kränkeln, und starb bald darauf, nachdem sie die Erscheinung der Flitterbraut erblickt und mit derselben gesprochen hatte – denn es

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 270. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/278&oldid=- (Version vom 1.8.2018)