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Zeichen in die Mauer einhauen, welche stets an den Unglücksfall erinnern. In dem Testamente der Aeltern des verunglückten Mädchens war der Armen- oder auch Seel-Casse Themar eine beträchtliche Summe zugedacht; auch die alljährliche Vertheilung der Semmeln unter die Schulkinder bestand fort, und besteht heute noch. Die Kinder heißen diese Semmeln „die Seelweckchen“; und auf einem Hause nahe an der Seelpforte ruht neben der Rechtsame, daß, wer dieses Haus besitzt rasieren darf (wenn er nehmlich den Schick dazu hat) auch diese, daß bei der Vertheilung der Seelweckchen für 4 Batzen Semmeln dahin geschickt werden. Vielleicht war es die Wohnung jener Bäckersleute.

Jetzt noch soll zuweilen auf der Veßraer Brücke das verunglückte Mädchen in einem schneeweißen Gewande erscheinen, und ängstlich hin und her wandeln, als habe sie hier etwas zu suchen. Auch einen Reiter ohne Kopf will man da öfters gesehen haben. Von dieser Brücke heißt es noch, und es ist zum spöttischen Sprichwort geworden: wenn ein Mädchen keinen Mann bekommt, so muß sie die Veßraer Brücke scheuern, und den Fröschen warme Socken flicken.


23.
Wassergeist Hackelmärz.

Das Begegnen eines männlichen Wassergeistes mit bestimmtem Namen ist in den Sagen Thüringens von sehr seltenem Vorkommen, daher ist um so mehr darauf zu achten. Es ist aber überhaupt die Gegend und das uralte

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/44&oldid=- (Version vom 1.8.2018)