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Herr ein Wunder thun, und Leben geben diesem dürren Pfahle, und ihn zum grünenden Baume ausschlagen lassen. Man lachte seiner, führte ihn vollends hinauf zum Gipfel und verbrannte ihn.

Wie aber die Leute wieder herunter kamen, siehe, da sproßten schon braune Zweiglein aus dem dürren Pfahle, und Knospen daran, die brachen auf, und es trieben grüne Blättlein hervor – und da war schon das Wunder geschehen. Das wunderte sich jedermänniglich und den Richtern wurde seltsam zu Muthe, und es ist hernach niemand mehr im Amte Maßfeld Hexerei halber oder sonst verbrannt worden. Der Pfahl aber wurde eine starke Buche, und zwar am ganzen Hexenberg die einzige, und sie steht noch immer, und kann sie jedermann sehen, und von jedem Kinde sich die Mär erzählen und bestätigen hören.

50.
Vom Berge Dolmar.

Ueber den Dörfern Kühndorf und Schwarza, und frei und kahl wie eine Vorhut des Thüringerwaldes gegen das Werrathal vortretend, erhebt sich 2300 Fuß hoch der mächtige Dolmar, ein Berg, dessen Hochgipfel jedenfalls dem diese Gegend bewohnenden Culturvolke als eine heilige Stätte galt. Weit um sein Gebiet liegen altheidnische Gräbergruppen verstreut, welche mancherlei Ausbeute an Ketten, Fibulen und Ringen lieferten; auf dem Gipfel fand man sogar eine phönicische Münze. Viele Dörfer, weit mehr als jetzt, hatten sich um den Dolmar herum

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/87&oldid=- (Version vom 1.8.2018)