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wie ein Schweinsmagen, es hatte auch keine Glotzen wie Karfunkel, sondern gar keine Augen, auch keine Stacheln, sondern eine glatte Haut, es war auch kein Ungethüm, sondern eine höchst friedlich gesinnte Schlackwurst, ein Schwartenmagen, den ein Bauer verloren hatte. Die alte, ewig sich verjüngende Mär vom kreisenden Berge. Wie die Katze aus Furcht schnell wieder über das Weichbild zurückgeschickt wurde, weil man ihr auf die Frage, was sie fresse, nachgesagt, sie fräße alles – wie der Gastwirth dem Gaste, der zur Bequemlichkeit ein Paar Pantoffeln zu haben, nebenbei aber auch einen Wasunger Streich zu gewahren wünscht, die Pantoffeln aus des Gastes eigenen Stiefeln schneidet – wie die Ehrenpforte, weil es regnete, statt Regenschirmes über den hindurchziehenden Fürsten getragen wurde – wie bei derselben Gelegenheit der Bürgermeister den Bürgern sagte: Ihr thut, was ihr mich Thun seht, und sich alle gegen die Wand kehrten, weil jenen dazu ein Bedürfniß nöthigte, und so alle, da in diesem Augenblick der Fürst kam, mit dem Rücken Front machten, hat vielleicht tieferen Sinn, als mancher ahnet, der darüber lacht, und ist nur ein Sinnbild; denn zu Zeiten macht gar manche Schildbürgerschaft ihrem Fürsten und ihrer Oberherrschaft ein widerhaariges Kehrt, die Signatur der Untreue. – Ganz vor kurzem ists geschehen, daß eine Wasunger Köchin ihrer Herrschaft weiche Eier sieden sollte. Sie brachte die Eier hart gesotten auf den Tisch. Ei! sprach die Frau, die Eier sind ja hart! „Nu, se hunn doch lang genung gekoicht –“ erwiederte die Köchin: – es wern ahle (alte) sinn – ech will se noch emal ins Töpfe thu, un tüchtig koich.“

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/93&oldid=- (Version vom 1.8.2018)