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aber der Frühmeßner einer kleinen, dem Walde nahen Kapelle, deren Stätte noch heute das Frühmeßchen heißt, hatte Kundschaft von dieser Flucht und Gründe genug, dem Bruder sein Liebesglück nicht zu gönnen. Er lauerte den Flüchtigen hinter einem Birnbaume auf, und stach mit einem Messer beide nieder. Nun gehen die Schatten beider in ihren Sünden ohne Beichte und Absolution dahin gefahrenen im Abtswalde um, und beim Frühmeßchen, und wollen zusammen, aber der Geist jenes Kirchmeßners wirft sich mit zornigen Gebehrden zwischen sie, und hindert die Vereinigung der Liebenden bis zum jüngsten Tage.

55.
Winkender Feuermann.

In einem armseligen Häuslein nahe bei Breitungen, wo man es auf der Lache nennt, wohnte ein frommes dürftiges Ehepaar, das gewahrte alljährlich im Advent einen riesigen feurigen Mann, der loderte bis an das Häuschen, und winkte mit einem Finger, und der Finger war so lang wie ein Arm. Die armen Leute fürchteten sich sehr, und wagten nicht, dem Winke des Feuermannes Folge zu leisten, bis endlich doch einmal die Frau sich ein Herz faßte, das Häuschen verließ und der Erscheinung nachging. Sie bereitete sich völlig auf diese kühne That vor, fastete, betete, kleidete sich rein und weiß, und nahm, als der Feuermann abermals kam und winkte, zu ihrem Schutze die Bibel mit. Jetzt flackerte die Erscheinung ihr voran bis zum Glashüttenteich, an diesem vorbei, und

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/96&oldid=- (Version vom 1.8.2018)